Abisag Tüllmann / bpk-Fotoarchiv
NS-Zeit
"Nach 1945 ging die Verfolgung weiter"
chrismon: Für viele KZ-Insassen ging nach dem Ende der Naziherrschaft die Unterdrückung weiter. Warum?
Stefanie Schüler-Springorum: Weil die Verfolgungsmaßnahmen nicht alle abgeschafft wurden. Etwa für Schwule. Homosexuelle Handlungen standen unter Strafe. Sinti und Roma wurden verjagt, aber auch Menschen, die unter dem Label "asozial" in die Lager gebracht worden waren, wurden oftmals auch nach 1945 drangsaliert. Das waren Obdachlose, Prostituierte, Langzeitarbeitslose oder Menschen, die sich weder in das bürgerliche Leben noch dann in den NS-Staat einfügten. Viele sogenannte "Asoziale" blieben zum Beispiel weiter in Psychiatrien. Das galt auch für Homosexuelle. Sie alle waren auch in der Bundesrepublik unerwünscht.
Wie wurden Homosexuelle und ehemalige "Asoziale" nach 1945 überhaupt identifiziert?
Wer bei den Nazis wegen Homosexualität oder als vermeintlicher "Asozialer" ins KZ kam, wurde polizeilich registriert. Die Verwaltung nutzte die Daten auch nach dem Krieg. Einmal schwul – immer schwul. Für Verurteilte gab es keine "Stunde null". In der Bundesrepublik stellte der Paragraf 175 schwulen Sex und selbst Küssen unter Strafe. Das Küssen hatten die Nazis verschärfend unter Strafe gestellt – und die BRD blieb dabei. Die Weimarer Republik war in diesem Punkt liberaler als die Bonner Republik.

