M.I.A.s "Born Free" macht Stress

M.I.A.s "Born Free" macht Stress
Eine Einheit voll ausgerüsteter Paramilitärs stürmt ein Haus. Die Männer treten die Tür ein, zerren ein Paar gewaltsam aus dem Bett. Als einer der Bewohner zu Boden geht, schlägt der Beamte weiter mit dem Knüppel auf ihn ein. Auf seiner Brust, gut sichtbar die amerikanische Flagge.
01.05.2010
Von Jannis Kucharz

So beginnt die Szenerie von M.I.A.s neuem Musikvideo "Born Free". Youtube reagierte prompt und sperrte das Video, damit rückte es noch mehr in den Fokus der Öffentlichkeit. "Zensur" lautet der Reflexschrei. Dabei ist klar: Dahinter steckt kalkulierte Provokation.


Hinter dem Video steckt nämlich niemand anderes als Romain Gavras, und der kennt sich aus mit Wirbel um Musikvideos. 2008 produzierte er für die Band Justice das Video "Stress" und genau der folgte. Auch in diesem Video geht es brutal zu. Rücksichtslose Jugendliche ziehen durch Paris, wahllos gewalttätig greifen sie Passanten an und randalieren in Bars mit Totschlägern. Der Vorwurf des Rassismus wurde laut und die Verherrlichung der Unruhen in den Pariser Vorstädten, dabei hatte Gavras vermutlich eher den Anspruch genau diese Misstände in der französische Banlieue anzuprangern.

Youtubes fragwürdige Politik

Fraglich bleibt, wie Youtube mit den Zensurvorwürfen vorgehen soll. Schließlich hat "Born Free" eine hochpolitische Message, prangert Rassismus und das Vorgehen amerikanischer Militärs an. In dem Video werden vornehmlich Rothaarige, im englischen "Gingers", gejagt und es ist klar, dass man für sie jede andere Gruppe oder Minderheit - von Muslimen bis Schwarzen - einsetzen kann. Was macht dieses Video also anders, als zum Beispiel "Stress", das ja noch auf Youtube zu sehen ist? Um Pornografie, wie die SZ schreibt, handelt es sich nur wegen der Darstellung nackter Körper noch lange nicht. Gewaltverherrlichend? Eher gewaltanprangernd und eben mit politischer Botschaft. Vielleicht hätte auch eine Kennzeichnung des Videos, wie zunächst geschehen, als nicht jugendfrei ausgereicht, aus wenn diese, zugegeben, nicht sehr wirksam ist um Kinderaugen tatsächlich fern zu halten.

Vorwürfe gegen Youtube hatte es auch schon wegen der konsequenten Durchsetzung angeblicher Urheberrechtsverletzungen gegeben, die Youtube mit einem automatischen System erkennt. Hier wurde mit einer "Fair Use"-Funktion nachgebessert. Youtube muss sich fragen, ob es Ort für gesellschaftliche Debatten sein will oder ob man, ähnlich der Apple Politik, sich nicht als Marktplatz für politische Satire und Nacktheit sieht.

Neben M.I.A. dürfte sich auch Vimeo über den heraufbeschworenen Skandal freuen. Auf dem Videoportal, dass sonst stets im Schatten von Youtube steht ist das Video noch einsehbar und wird nun webweit verlinkt.

Was meint ihr? War die Sperre von Youtube gerechtfertigt, weil das Video einfach zu gewalttätig ist, oder ist es ein Eingriff in die freie Meinungsäußerung? 


Jannis Kucharz bloggt unter netzfeuilleton.de und studiert Publizistik und Filmwissenschaften an der Universität Mainz.