Lech Kaczynski: Tragisches Ende am tragischen Ort

Lech Kaczynski: Tragisches Ende am tragischen Ort
Eine schreckliche Symobolik: Auf dem Weg zur Aussöhnung zwischen Russen und Polen ist der polnische Präsident Lech Kaczynski bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen. In der Gedenkstätte in Smolensk brachen die Menschen in Tränen aus.
10.04.2010
Von Wolfgang Jung und Jacek Lepiarz

Die Hiobsbotschaft kam über Lautsprecher. Als die Menschen, die auf dem Soldatenfriedhof von Katyn auf den polnischen Präsidenten Lech Kaczynski warteten, vom Absturz seiner Maschine erfuhren, machte sich zunächst Unglauben breit. Doch bald waren in der Gedenkstätte in Westrussland lautes Weinen und Gebete zu hören. Viele der Trauernden hielten einen Rosenkranz in der Hand. Fremde Menschen, darunter zahlreiche bereits betagte Kinder der rund 4200 Katyn-Opfer, umarmten und trösteten sich. Es ist ein tragisches Ende an einem tragischen Ort: 70 Jahre nach dem Massenmord von Katyn verliert Polen in der Region erneut einen Teil seiner Elite.

Kurz nach der Katastrophe zeigte das russische Fernsehen erschütternde Bilder von der Absturzstelle etwa zwei Kilometer südlich der Stadt Smolensk. Das Mittelstreckenflugzeug vom Typ Tupolew-154 schlug beim Aufprall eine gewaltige Schneise in einen Wald, und neben umgerissenen Bäumen steckten rauchende Trümmer der Maschine tief im Boden. Aus einigen Wrackteilen des in den polnischen Farben Rot und Weiß gestrichenen Flugzeugs war das Klingeln von Mobiltelefonen zu hören. Feuerwehrleute versuchten, das brennende Wrack zu löschen.

Schreckliche Symbolik

Wie verloren stand neben dem zentralen Mahnmal in Katyn ein hohes leeres Gestell, auf das Kaczynski einen Kranz für die Opfer legen wollte. Im Fernsehen waren zwischen Eichen, Birken und Buchen Nebelschwaden zu sehen, das Thermometer am örtlichen Museum zeigte plus drei Grad. "Lasst uns für die Opfer des furchtbaren Absturzes beten", sagte in der Gedenkstätte einer der Redner der Zeremonie.

In Warschau sprach der polnische Ex-Präsident Alexander Kwasniewski von einer "schrecklichen Symbolik". Denn Kaczynski wollte in Katyn mit mehreren hundert Opferfamilien jener polnischen Offiziere gedenken, die dort vom sowjetischen Geheimdienst NKWD im Frühjahr 1940 ermordet worden waren. Die Geschichtspolitik, darunter die Würdigung der Kriegsopfer, gehörte zu den Schwerpunkten seiner Amtszeit. Kaczynski wollte zunächst bereits am vergangenen Mittwoch beim ersten gemeinsamen Gedenken der Regierungschefs Donald Tusk und Wladimir Putin in Katyn dabei sein. Weil er keine russische Einladung bekommen hatte, verschob der Präsident seinen Besuch um drei Tage.

Die Notwendigkeit einer Privatreise von Kaczynski nach Katyn zeigt, wie tief die Gräben zwischen Moskau und Warschau noch sind. Putin und Tusk versuchten bei ihrem ersten gemeinsamen Gedenken eine vorsichtige Annäherung, mit Blick in die Zukunft. Unmittelbar nach dem Absturz der Maschine war der Grund für die Katastrophe mit rund 100 Toten noch unklar. Beobachter fürchten, dass mögliche gegenseitige Schuldzuweisungen zu einem Rückschlag in den jüngsten Bemühungen um Aussöhnung zwischen Russland und Polen führen könnten.

dpa