Missbrauchsfälle: Kirchen um Aufklärung bemüht

Missbrauchsfälle: Kirchen um Aufklärung bemüht
Zahlreiche evangelische und katholische Bischöfe haben in ihren Karfreitagspredigten und Botschaften zum Osterfest zur Aufklärung der Missbrauchsfälle in kirchlichen und weltlichen Einrichtungen Stellung bezogen.

Zudem riefen sie zu Gottvertrauen, Zuversicht und friedlichem Zusammenleben auf. Die Deutsche Bischofskonferenz hatte die katholischen Gemeinden zu einer speziellen Fürbitte für Missbrauchsopfer aufgerufen. Unter anderem hieß es darin: "Lasst uns beten für die Kinder und Jugendlichen, denen inmitten des Volkes Gottes, in der Gemeinschaft der Kirche, großes Unrecht angetan wurde."

Ausmaß der Grausamkeit unvorstellbar

Der evangelische Berliner Bischof Markus Dröge sagte in seiner Karfreitagspredigt, das Ausmaß an Erniedrigung und seelischer Grausamkeit, das den Kindern und Jugendlichen von vertrauten Personen angetan wurde, sei unvorstellbar. Die Perspektive der Opfer habe nun endlich Vorrang und könne zur Sprache kommen.

Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann warf den Tätern einen Verrat am Evangelium vor. Sie schwächten und verrieten die göttliche Botschaft, die gerade die Kinder in die Mitte stelle, sagte der katholische Theologe laut vorab verbreitetem Manuskript in seiner Karfreitagspredigt im Mainzer Dom. Der katholische Kölner Erzbischof Kardinal Joachim Meisner nannte "die furchtbaren Ärgernisse von sexuellem Missbrauch" als Beispiel für Herausforderungen der Kirche, ohne in seiner Predigt im Kölner Dom am Abend des Gründonnerstag allerdings näher darauf einzugehen.

Der erkrankte Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, räumte in einem schriftlichen Beitrag zum Karfreitag Fehler im Umgang mit den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche ein. Heute werde der Kirche bewusst, "dass in einer anderen gesellschaftlichen Situation durch die Enttäuschung über das schmerzliche Versagen der Täter und aus falsch verstandener Sorge um das Ansehen der Kirche der helfende Blick für die Opfer nicht genügend gegeben war". Seine Teilnahme an Gottesdiensten zu Karfreitag und Ostern hatte Zollitsch wegen einer Virusinfektion abgesagt.

Kirche in der Vertrauenskrise

Der badische evangelische Landesbischof Ulrich Fischer forderte Kirche und Amtsträger angesichts der zahlreichen Missbrauchsfälle auf, ihre Schuld "bedingungslos" zu bekennen. Nur so könne es einen Ausweg aus der Vertrauenskrise der Kirche geben. Der westfälische Präses Alfred Buß betonte, dass nicht nur Klosterschulen, Internate oder Heime Orte solcher Übergriffe seien. "Sexuelle Gewalt gibt es auch in den Familien", unterstrich der Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen.

Sachsens Landesbischof Jochen Bohl rief in seiner Karfreitagspredigt zu Versöhnung und friedlichem Zusammenleben auf. "Das ist die Botschaft dieses Tages und wir wollen ihr dienen mit unserem ganzen Leben in Wort und Tat", sagte er. Der Schleswiger Bischof Gerhard Ulrich rief dazu auf, bei Gewalttaten nicht mehr wegzusehen. Jesus selbst sei es, "der anfängt, aufzuhören mit dem Wegsehen und Vertuschen bei Gewalttaten an Menschen", sagte er.

Nach Ansicht des amtierenden Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, ist Jesus Christus am Kreuz nicht für die Sünde gestorben. Es sei ein fatales Missverständnis zu meinen, das Kreuz Christi offenbare einen rächenden oder sadistischen Gott, der für seine Versöhnung mit den Menschen ein blutiges Opfer gefordert habe, sagte Schneider bei einer Predigt im Willibrordi-Dom in Wesel. "Gott fordert nicht das menschliche Leiden und Sterben, damit er sich uns Menschen wieder in Liebe zuwendet", sagte der rheinische Präses.

Meisner kritisiert Abhängung von Kreuzen

Gott selbst leide und sterbe am Kreuz, "weil er sich uns Menschen in Liebe zuwendet". Deshalb könnten Christen die Kreuzestheologie als befreiendes und erlösendes Heilshandeln Gottes für alle Menschen bezeugen und verkünden.

Der Kölner Erzbischof Meisner kritisierte laut Predigttext am Karfreitag die Abhängung der Kreuze in Düsseldorfer Gerichten. Das Kreuz stehe für das Würde- und Wertebewusstsein der Gesellschaft. Wenn es entfernt werde, verliere der Mensch seine letzte Absicherung, seinen Wert, seine Unersetzlichkeit und seine Unverletzlichkeit. Der evangelische Präses Schneider schloss sich der Kritik an. "Ganz klar gehört das Kreuz mitten in unsere Gesellschaft. Religion ist keine Privatsache", sagte er dem "Hamburger Abendblatt" (Samstagsausgabe).

In Erinnerung an das Leiden Jesu fanden in mehreren deutschen Städten Karfreitagsprozessionen statt. An einer ökumenischen Prozession durch das Zentrum Berlins nahmen nach Angaben der Organisatoren rund 400 Menschen teil. Deutschlands ältestem Kreuzweg durch die Lübecker Altstadt folgten laut Polizei rund 600 Menschen. Die Veranstalter sprachen von 900 Teilnehmern.

epd