Ein Gewürz ist wie ein Schutzengel

Ein Gewürz ist wie ein Schutzengel
Seit einigen Tagen lädt die Ausstellung "gewürze - Sinnlicher Genuss. Lebendige Geschichte" in den Rosenheimer Lokschuppen ein. Unsere Mitarbeiterin hat sich von Gerüchen, Farben und Eindrücken betören lassen. Und war sprachlos, dass nicht nur Tiere, sondern auch Gewürze aussterben können.
28.03.2010
Von Bettina Scriba

Im 1. Jahrhundert nach Christus starb die Silphionpflanze aus. Sie wurde in Nordafrika angebaut und im ganzen Mittelmeerraum gehandelt. Nur als Abbild auf Münzen, in Pflanzenbeschreibungen und Rezepten hat sie überlebt. Vermutlich schmeckte sie lauchartig. Aber niemand weiß es genau. Der erste Blick in der sehenswerten Rosenheimer Schau fällt auf einen großen fliegenden Teppich mit einer Karte der Erde. Auf ihm sind 67 Glaszylinder mit getrockneten Gewürzen zu sehen. Die Gewürze stehen in ihrem Ursprungsland und zeigen, dass jedes Land seine eigenen, ganz typischen Gewürze besitzt.

Gewürze waren Anlass für Entdeckungsreisen, Kriege und Eroberungen. Vieles davon kann man nacherleben. Die ägyptische Königin Hatschepsut unternahm im Jahr 1470 vor Christus die erste Schiffsexpeditionen nach Punt, um Weihrauch, Myrrhe und vermutlich auch Gewürze, Tiere und Pflanzen nach Ägypten zu bringen. Acht Probierstationen (Fotos: Bettina Scriba), die jeweils einen Kulturraum darstellen, laden zum Entdecken und Probieren ein. In Schälchen stehen die Gewürze bereit, um in Augenschein genommen zu werden. In kurzen Texten wird ihre Geschichte und Bedeutung für das jeweilige Land erzählt.

Wer kennt Bockshornklee oder Mohrenpfeffer?

Zu den bekannten Gewürzen wie zum Beispiel Zimt, Vanille und Muskatnuss gesellen sich auch nicht so bekannte: Bockshornklee, Tonkabohnen, Curryblätter, Tamarinde und Mohrenpfeffer. In der Ausstellung trifft man 19 Figuren, deren Leben mit Gewürzen zu tun hatte. Zum Beispiel Hildegard von Bingen, Marco Polo und Pierre Poivre. Und dann wäre da noch Katrin, die Chemielaborantin, die jedes Aroma künstlich herstellen kann. Sie holt die Besucher wieder in die Neuzeit zurückholt. Schon 1875 wurde Haarmann's Vanillinfabrik in Holzminden an der Weser gegründet. Und der Erste Weltkrieg machte es erforderlich, dass Ersatzlebensmittel angeboten und Aromen künstlich hergestellt wurden.

Ein Gemälde zeigt die Nürnberger Safran- und Gewürzschau, die Mitte des 14. Jahrhunderts eingeführt wurde. Fälschungen von Safran wurden mit dem Tode bestraft. Dass Gewürze nicht nur zum Essen und Heilen geeignet sind, zeigen ein aus Vanilleschote gefertigter Skorpion aus Mexiko und ein aus Nelken gefertigtes Schiffsmodell. Das Highlight der Ausstellung erreicht man über ein paar Stufen. Man befindet sich plötzlich auf einem schwankenden Schiffsdeck, der Blick geht gen Horizont, und die vier großen Entdecker und Seefahrer Ferdinand Magellan, Vasco da Gama, Bartolomeu Diaz und Christoph Kolumbus erzählen von ihren Erlebnissen auf der Suche nach Gewürzen.

Man kann sie sogar hören

Der Münchner Historiker Frank Holl hat die "würzigste Ausstellung der Welt" geschaffen. Alle Sinne werden angesprochen, denn man kann die Gewürze sogar hören. Durch seine Arbeit als Kurator haben die Gewürze eine neue Bedeutung gewonnen. Früher habe er Muskatnuss gekauft und einfach verwendet. "Jetzt weiß ich, dass diese Muskatnuss 200 Jahre lang die ganze Welt bewegt hat."

Alfons Schuhbeck, Starkoch aus München, ist für den sinnlichen Genuss verantwortlich. "Vor 50 Jahren hatten wir einen Kümmel, einen Majoran, Petersilie und Schnittlauch und vielleicht noch einen Thymian, das war's auch schon. Und mittlerweile dehnt sich das doch sehr aus. Auch in unserer regionalen Küche lassen sich die Gewürze wunderbar verbinden." Ingwer ist sein Lieblingsgewürz. "Vor 30 Jahren bin ich belächelt worden, wie ich es wagen kann, einen Ingwer in eine Schweinebratensoße zu legen. Die Leute wussten leider nicht, dass mir der Ingwer bei der Fettaufnahme hilft, und dass ich mich wesentlich wohler fühle. Es ist ein Gewürz, das Dich begleitet wir ein Schutzengel." 

15.000 Blüten für ein Kilogramm

Die Ausstellung ist abwechslungsreich. Viele Originalexponate, wie zum Beispiel Gewürz- und Parfumgefäße, Schiffsmodelle, Gemälde sowie Gold- und Silberschmiedearbeiten, zeugen von der großen Bedeutung der Gewürze. Videos veranschaulichen den Anbau und die Ernte von Gewürzen, wie zum Beispiel Safran: 15.000 Blüten müssen von Hand gepflückt werden, um ein Kilogramm Safran zu erhalten. Die Informationen sind gut und knapp zusammengefasst. Etwas mehr sinnliches Aroma in der Luft hätte der eine Besucher noch vertragen können, dem anderen war es jetzt schon genug. Der Duft in der Luft ist eben, wie auch die Gewürze, reine Geschmackssache.

Die Ausstellung läuft bis zum 10. Oktober 2010. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 9 bis 18 Uhr, Samstag sowie Sonn- und Feiertag 10 bis 18 Uhr. Blumenliebhaber können für die Gewürzausstellung und die Landesgartenschau, die am 23. April beginnt, ein Kombitagesticket erwerben. Das Rahmenprogramm bietet Gourmet- und Genussführungen für große Feinschmecker und Hexen- und Seefahrergeburtstage für kleine Schleckermäuler. Das Begleitbuch zur Ausstellung lässt die Geschichte der Gewürze Revue passieren und stellt auf weiteren 100 Seiten alle Gewürze einzeln vor.


Bettina Scriba arbeitet als freie Journalistin in München mit Schwerpunkt Hörfunk und Print. Sie schreibt regelmäßig auch für evangelisch.de.