Hollywood unter weitem Himmel: Europas erstes Autokino

Hollywood unter weitem Himmel: Europas erstes Autokino
50 Jahre Autokino in Gravenbruch bei Frankfurt: So ganz durchsetzen konnte sich die amerikanische Idee des Drive-In-Kinos in Deustchland nie. Gravenbruch hat mittlerweile zwei Leinwände und spielt ganzjährig.
25.03.2010
Von Rudolf Worschech

Der Burger gehörte von Anfang an dazu. Als vor 50 Jahren, am 31. März 1960, in Gravenbruch bei Frankfurt das erste Autokino in Europa eröffnete, war die gebratene Rinderbulette Teil der Geschäftsidee. Die stammte natürlich aus den USA, und noch heute sollen die Burger in Gravenbruch nach dem gleichen Rezept wie vor 50 Jahren auf den Grill kommen. "Der König und ich" mit Yul Brynner war der erste Film, der in Gravenbruch über die Riesen-Leinwand flimmerte, vor der 1.100 Autos Platz haben.

"American way of life"

Es kommt nicht von ungefähr, dass das erste deutsche Autokino ausgerechnet in dieser Zeit und an diesem Ort öffnete: Ende der 50er Jahre war der Film in Deutschland in der Krise. Mit Breitwand und Farbe versuchte er, sich seine Überlegenheit gegenüber der kleinen Mattscheibe des aufkommenden Fernsehens zu sichern. Das galt umso mehr für die überdimensional große Leinwand der Autokinos - in Gravenbruch misst sie mehr als 500 Quadratmeter. "Bigger than life" hieß die Devise.

Auch die Nähe zur Großstadt Frankfurt dürfte für die Standortwahl entscheidend gewesen sein, galt die Main-Metropole damals doch als eine der autogerechtesten Städte der Bundesrepublik. Und es waren viele US-amerikanische GIs in der Gegend stationiert, deren Alltag vom "american way of life" geprägt war.

In Deutschland hat sich die Idee des Drive-In-Kinos nie so durchgesetzt wie in den USA. Aber immerhin: Gut zwei Dutzend Autokinos hat es in der Bundesrepublik gegeben - und selbst die DDR hatte die Idee des Klassenfeindes aufgenommen und im brandenburgischen Zempow ein Autokino eröffnet. Heute gibt es noch knapp 20 in ganz Deutschland, rund die Hälfte davon in Ostdeutschland.

Ein Platz in der "Love Lane" nur gegen Aufpreis

Seine große Zeit hatte das Autokino in der Bundesrepublik der 50er Jahre. Das Kino war immer schon auch ein Versprechen auf Erotik und Sinnlichkeit, und die Hoffnung auf Kuscheln und Schmusen dürfte in den prüden 50er Jahren einer der entscheidenden Beweggründe für den Besuch eines Autokinos gewesen zu sein. Heute wirbt das Kino in Gravenbruch - so haben sich die Zeiten geändert - mit dem Spruch "essen, trinken, rauchen!"

In den USA haben in der Blütezeit der 50er Jahre rund 4.000 Autokinos gespielt. Die Stellplätze in der letzten Reihe, der sogenannten "Love Lane", wurden gegen Aufpreis verkauft. Das erste Autokino öffnete 1933 in Camden im Bundesstaat New Jersey. Richard Hollingshead, Angestellter im Autozubehörgeschäft seines Vaters, baute das "Camden Drive-In Theatre" an der Peripherie seiner Heimatstadt auf. 25 Cent kostete die Karte. Hollingshead hatte noch ein anderes Zielpublikum im Sinn: "Die ganze Familie ist willkommen, egal wie laut die Kinder sind", soll sein Werbeslogan gelautet haben.

Verrücktestes Kino: "Drive-In and Fly-In"

Seit Ende der 20er Jahre hatte Hollingshead experimentiert und die Rampen erfunden, auf die die Autos fahren, um eine bessere Sicht zu ermöglichen. Am 16. Mai 1933 ließ er sich die Idee seines "drive-in cinemas" patentieren. Als Leinwand fungierte eine geweißte Mauer, der Ton kam aus drei großen Lautsprechern und war noch Meilen entfernt zu hören. Heute kommt der Sound meist über das Autoradio.

Die Idee setzte sich nur langsam durch: 1942 gab es gerade mal 100 Drive-In-Kinos unter freiem Himmel. Hinzukommen musste neben den Verlockungen des Kinos selbst noch ein weiteres Versprechen: das auf grenzenlose Mobilität. Drive-In-Kinos passen perfekt zum Autokult in den USA. Das verrückteste Kino gab es in Asbury Park, ebenfalls New Jersey: Das "Drive-In and Fly-In" bot Platz für 500 Autos - und für 25 Flugzeuge, die auf einem angeschlossenen Flugfeld landen und sich in die letzte Reihe stellen konnten.

Im April startet die Jubiläums-Autokinosaison 2010

Gravenbruch hat mittlerweile zwei Leinwände und spielt ganzjährig, auch wenn im Winter bei schlechtem Wetter nur ein paar Dutzend Autos vorbeikommen. Besonders schlecht für das Geschäft ist übrigens Regen - denn wer will sich schon vom Gequietsche eines Scheibenwischers den Film vermasseln lassen?

In den 60er Jahren, als auch derbe deutsche Sexklamotten durch den Projektor ratterten, kamen mehrere Hunderttausend Zuschauer im Jahr nach Gravenbruch. Heute sind es deutlich unter Hunderttausend. Aber gerade im Sommer lebt das Autokino immer noch.

Zum Start der Jubiläums-Autokinosaison 2010 zeigt Gravenbruch von Anfang April an "The Fast And the Furious" aus dem Jahr 2001, ein mittlerweile kultiger Film über illegale Straßenrennen in Los Angeles. Denn ein Film, in dem Autos eine prominente Rolle spielen, zieht immer Leute ins Drive-In-Kino.

epd