Störungen im Betriebsablauf (Folge 23)

Störungen im Betriebsablauf (Folge 23)
Ursula Ott war in dieser Woche wieder viel mit der Bahn unterwegs. Dabei hat sie es mit einem unfreundlichen Anwalt aufgenommen und sich zaghaft im "traindating" versucht.
19.03.2010
Von Ursula Ott

Meine Woche vom 15. bis 19. März

Montag

Eine evangelisch-de-Userin hat mir eine nette Mail geschrieben. Ich soll mich doch mal bei traindate.de registrieren lassen, da kann ich nette Mitfahrer kennen lernen. Super. Der Werbe-Trailer zeigt Bahnfahrer mit "Schmetterlingen im Bauch" und Bahnfahrerinnen mit aufgeschlagenen roten Krimis auf nackten Oberschenkeln. Ich soll meine Bahnstrecke angeben und meine Interessen. Ich bin grundsätzlich ein Schisser, was die Freigabe meiner Daten im Internet angeht. Beschließe erst mal noch eine Woche die realen Sitznachbarn zu scannen, ob sie mit den attraktiven Menschen auf der Website mithalten können.

Dienstag

Gerne würde ich heute Sitznachbarn kennen lernen, aber der Zug ist mal wieder überfüllt. Wo kein Sitz, da kein Nachbar. Es gibt in Köln-Deutz einen einzigen freien Platz, aber auf dem steht der dicke Akten-Koffer eines dicken Mannes. Klare Sache, Notar oder Rechtsanwalt. Ich frage ihn, ob ich mich auf den Platz setzen kann. "Nein, da kommt gleich mein Mandant." Na, da bleibt man ja gerne stehen, andernfalls Prozess am Hals, wie der Kölner sagt. Der Zug fährt los, der Platz bleibt frei. Wann kommt denn der Mandant? "Am Hauptbahnhof!" Aber der Zug fährt gar nicht zum Hauptbahnhof, er fährt jetzt 60 Minuten lang ohne Stopp nach Frankfurt. "Ich würde mich jetzt wirklich gern da hin setzen", sage ich tapfer und ernte bitterböse Blicke, "Sie können mich aber gerne verklagen." Ich stelle den dicken Aktenkoffer eigenhändig in den Gang und setze mich neben den dicken Anwalt. Heute wird das nix mit dem train-date. Vielleicht gründe ich die Seite train-hate.

Mittwoch

Als unser ICE heute an der Köln Arena vorbei fährt, die neuerdings Lanxess Arena heißt, glotzen wir alle wie doof aus dem Fenster: In zwei Reihen wie zum Höhepunkt der Friedensbewegung reihen sich Hunderte von Pärchen um die Arena. Und das schon um 18 Uhr, obwohl erst um 20 Uhr Mario Barth dort auftritt. Ich fahre jeden Tag an der Lanxess Arena vorbei, aber nie gab es diese Schlangen, nicht bei der "Singenden und Klingenden Kölnarena", nicht beim "Frühlingsfest der Militärmusik". Meine Sitznachbarin, deren Rock annähernd so kurz ist wie auf dem traindate-Foto, guckt genauso fasziniert wie ich. "Die Doofen sterben nicht aus", versuche ich es mit einer Konversation. Sie dreht sich schockiert zu mir um. "Ich hab ihn in Berlin, in Frankfurt und in Karlsruhe gesehen", sagt sie. "Köln ist seit Monaten ausverkauft."

Donnerstag

Hallo, ist hier vielleicht irgendwo eine versteckte Kamera? Verstehen Sie Spaß? In Frankfurt setzt sich ein junger Mann neben mich, der sage und schreibe sechs Pakete von MacDonalds dabei hat. In aller Seelenruhe öffnet er eines nach dem andern, und er befördert wirklich alles in seinen Magen. Chicken Wings. Pommes. Royal Bacon. Filet-o-Fish. Das geht doch physikalisch gar nicht. Ne, Schmetterlinge hat der nicht im Bauch, aber vielleicht einen Bandwurm. Eigentlich will ich den gar nicht kennen lernen, aber es lässt sich nicht vermeiden, denn er hat seine extralarge Cola in eine der leeren Burger-Schachteln gestellt. Klar geht das nicht gut bei 340 km/h zwischen Montabaur und Limburg. Er sagt, er zahlt mir die Reinigung von meinem Mantel. So haben sich schon Paare fürs Leben gefunden. Aber ehrlich, der wär mir zu teuer im Unterhalt.

Freitag

Heute treffen sich, ganz ohne Hilfe des Internet, alle Gleichgesinnten am Kölner Hauptbahnhof. Heute spielt nämlich Köln gegen Borussia Mönchengladbach, und das gibt Haue. 500 Polizisten zusätzlich im Einsatz, damit schön der Kölner beim Kölner bleibt und der Mönchengladbacher beim Mönchengladbacher. Nix wie weg aus dem Getümmel. Vielleicht probiere ich es nächste Woche denn doch mal virtuell. Schönen Frühling, und Schmetterlinge nicht vergessen!


Über die Autorin:

 

Ursula Ott, 45, ist stellvertretende Chefredakteurin von chrismon, Chefredakteurin von evangelisch.de, Mutter von zwei Kindern und pendelt täglich zwischen Köln und Frankfurt. www.ursulaott.de.

Neu im Buchhandel: Ursula Ott: "JA TOLL - Geschichten, die immer nur mir passieren", erhältlich im chrismon-shop!

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