250 Jahre: Thüringen feiert sein "weißes Gold"

250 Jahre: Thüringen feiert sein "weißes Gold"
Die Nacherfindung des Porzellans in Thüringen kam 50 Jahre zu spät - und dennoch war sie Initialzündung einer Porzellantradition, die in ihrer Vielfalt ihresgleichen sucht.
16.03.2010
Von Andreas Hummel

Der von Meißen ausgehende Rausch nach dem "weißen Gold" hatte überall Handwerker, Tüftler und Alchemisten angestachelt, dem "Arkanum" auf die Spur zu kommen. So auch Georg Heinrich Macheleid und Gotthelf Greiner, die 1760 unabhängig voneinander und nahezu gleichzeitig das Geheimnis des Hartporzellans in Thüringen lüfteten. War Meißen die Wiege des europäischen Porzellans, so entwickelte sich Thüringen fortan zu dessen Herzkammer. Im 19. Jahrhundert stammte zeitweise 60 Prozent der deutschen Porzellanproduktion aus Thüringen: Alltags- und Tafelgeschirr, Puppen- und Tabakpfeiffenköpfe, kunstvolle Figuren.

Um 1900 gab es rund 400 Porzellanmanufakturen

"Auch der Körper des Porzellans war endlich so vervollkommnet worden, daß die Mehrzahl meiner glasurten und gebrannten Proben, als in jeder Hinsicht dem Meißner Porzellan gleich, angesehen werden konnten", schreibt Greiner in seinen Erinnerungen nach etlichen Experimenten. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Sachsen längst das Porzellan-Monopol verloren, gab es auch Manufakturen in Wien, Venedig und anderen europäischen Städten. Und Greiner musste sich auch seinem Konkurrenten Macheleid geschlagen geben, der vor ihm und damit als erster in Thüringen ein Privileg für eine Porzellanmanufaktur errang.

Doch auch dank der Kleinstaaterei - damals war das Gebiet des heutigen Freistaates in mehrere Herzogtümer zerklüftet - schossen in den folgenden Jahrzehnten die Porzellanmanufakturen wie Pilze aus dem Boden. Um 1900 vermelden Statistiken rund 400 solcher Betriebe in der Region, einige nennen noch deutlich höhere Zahlen. Der Grund für diese Vielfalt: Während die Porzellanmanufakturen anderer deutscher Territorialstaaten fürstliche Gründungen waren und so regional oft die einzigen blieben, waren in Thüringen Privatleute aktiv. "Einzig die Manufaktur von Kloster Veilsdorf war eine fürstliche Gründung, alle anderen waren dem privaten Unternehmertum zu verdanken", erklärt der Direktor des Landesmuseums Heidecksburg, Lutz Unbehaun.

"Russisches Liebespaar" und "Schreitende Löwin" in Porzellan

Zudem gab es in Thüringen die notwendigen Rohstoffe und dank der langen Glasmacher-Tradition das Know-how für Brennprozesse mit hohen Temperaturen. Und die Unternehmer mussten von Anfang an auf Wirtschaftlichkeit achten. Zwar wurden auch Tafelservices und Porzellankunst für die fürstlichen Höfe gefertigt, doch die Palette war stets breiter und zielte auch auf Bürger und Großbauern als Kunden. Das zeigt sich in den Formen und im Dekoren. "Man hat für den bürgerlichen Geschmack produziert und so auch die bürgerliche Umwelt abgebildet", sagt Porzellanexpertin Gudrun Haufschild vom Museum Leuchtenburg bei Kahla. Das zeige sich etwa in den Blumenmalereien. "Mit dem Aufkommen des Bildungsbürgertums hat man sich dann auch stärker am klassizistischen Leitbild orientiert."

Den künstlerischen Durchbruch des Thüringer Porzellans "auf allerhöchstem Niveau" verortet Museumsdirektor Unbehaun mit der Reformbewegung des Deutschen Werkbunds. 1909 wurden in Unterweißbach bei Rudolstadt die "Schwarzburger Werkstätten" gegründet, die schon vor dem Bauhaus Weimar auf klare Formen und Funktionen setzten. So wurde Ernst Barlachs "Russisches Liebespaar" ebenso in Porzellan gefasst wie Gerhard Marcks "Schreitende Löwin". Max Esser, Arthur Storch und Paul Scheurich schufen ebenfalls Modelle für die Werkstatt. Doch sie war nicht die einzige in Thüringen. So verschrieb sich auch die Porzellanmanufaktur Burgau bei Jena der Reformbewegung. Künstler wie Henry van de Velde, Albin Müller und Erich Kuithan entwarfen für sie Formen und Dekore.

Von Jugendstil bis Art Decó

Zum Jubiläum 250 Jahre Thüringer Porzellan putzen die Thüringer Museen in diesem Jahr nun ihr "weißes Gold" heraus. Dabei stellt jedes für sich die Besonderheiten seiner Sammlung und der jeweiligen Region vor. Mehr als 20 Museen sind beteiligt. Haushaltsgeschirr, Zierporzellane und Mokkatassen von Jugendstil bis Art Decó aus der Burgauer Produktion sind im Stadtmuseum Jena zu sehen. Die Klassik Stiftung Weimar zeigt Porzellane des Rokoko und Klassizismus. Unter dem Titel "Menschenbilder 1900-2000" widmet sich das Landesmuseum Heidecksburg den figürlichen Porzellanen. Und die Leuchtenburg bei Kahla bringt Porzellanfiguren mit Aktmodellen zusammen: "Nackt in Kaolin" heißt die Schau.

Das Festjahr 250 Jahre Thüringer Porzellan wird am 17. April in Rudolstadt eröffnet.

dpa