Sophie Scholl: Mutige Kritikerin des Naziregimes

Sophie Scholl: Mutige Kritikerin des Naziregimes
Erst begeistertes BDM-Mädel, dann mutige Untergrundkämpferin gegen den Nationalsozialismus - Sophie Scholl trug den Widerstand in die Universität.

Sie war es, die unbeabsichtigt die Strafverfolgung durch die Nazijustiz auslöste. Ausgerechnet sie: die Jüngste im inneren Kreis der Weißen Rose. Die einzige Frau. Diejenige, die geradezu darum gebettelt hatte, in den Kreis der Verschwörer aufgenommen zu werden. Und dann das. Sie verrät durch eine Ungeschicklichkeit die Widerstandsgruppe und löst eine blitzschnelle Verfolgungswelle aus.

Es ist der 18. Februar 1943. Schon früh sind Sophie und Hans Scholl, sie Philosophie- und Biologiestudentin, ihr Bruder Mediziner, im Hauptgebäude der Münchener Universität unterwegs. Sie legen Flugblätter gegen den Krieg aus, verteilen sie auf dem Boden und auf Fensterbänken. Die Zeit drängt, denn inzwischen treffen immer mehr Kommilitonen im Unigebäude ein. Da stößt Sophie auf einmal einen ganzen Stapel ihrer Flugblätter über die Brüstung des Treppenhausgeländers hinunter. Die Blätter fliegen vom zweiten Stockwerk wild durcheinander bis ins Parterre und dort vor die Augen des Hausmeisters.

Riskante Flugblattaktionen

Der erweist sich als wachsamer SA-Mann, lässt die Türen des Gebäudes sperren, alarmiert die Gestapo.
Dabei hatten die Mitglieder der Widerstandsgruppe Weiße Rose doch alles so genau bedacht. Sie hatten den Zeitpunkt gut gewählt. Wenige Tage zuvor hatte das in Stalingrad eingekesselte deutsche Heer kapitulieren müssen. Wer eins und eins zusammenzählte, konnte erkennen: Der Krieg gegen Russland war verloren. Auch hatten sich die Konspirateure der Weißen Rose ein halbes Jahr lang taktisch klug zurückgehalten. Mit der politischen Lage war nun auch der Ton der Flugschriften schärfer geworden. Die sechste hatte ein Philosophieprofessor verfasst: ihr Mentor Kurt Huber, der erst im Dezember in die Flugblattaktionen eingeweiht worden war.

Sophie Scholl war sich des Risikos ihrer Untergrundarbeit durchaus bewusst. Denn politische Themen waren, seit sie denken konnte, in ihrer Familie diskutiert worden. Ihr Vater, ein liberaler schwäbischer Bürgermeister, und ihre Mutter, bis zur Hochzeit Diakonisse, hatten die demokratischen Ideale hochgehalten. Und doch: Sophie hatte seit dem 13. Lebensjahr begeistert in der Hitlerjugend mitgemacht - sehr zum Leidwesen ihres Vaters, der Adolf Hitler als Rattenfänger bezeichnete.

"Sag nicht, es ist für's Vaterland"

Doch um das Jahr 1938 entfremdet sie sich von den braunen Jugendverbänden und der NSDAP. Sie und ihr Bruder waren von der Gestapo verhaftet worden, weil sie weiter zur verbotenen Bündischen Jugend hielten. HJ-Führer hatten ihnen die Lektüre von Heinrich Heine und Stefan Zweig verboten. Ihre Kenntnisse vom Krieg brachten sie weiter auf Konfrontationskurs zum Regime. Ihr vier Jahre älterer Freund muss in den Krieg, sie klagt in einem Brief: "Ich kann es nicht begreifen, dass nun dauernd Menschen in Lebensgefahr gebracht werden von anderen Menschen. Sag nicht, es ist für's Vaterland." Nein, dies alles hat ihnen jene "verantwortlungslose Herrscherclique" (Flugblatt der Weißen Rose) eingebrockt, die Deutschland regiert.

Sophie Scholl liebt ihre Freiheit, träumt von einem Leben inmitten von Kunst und Literatur. Die Ausbildung zur Kindergärtnerin reibt sie auf. Im Reichsarbeitsdienst vermisst sie gebildete Gesprächspartnerinnen. Sie liest, auf der Suche nach moralischen Prinzipien, Bücher des Kirchenvaters Augustinus. Und immer wieder bedrängt sie ihren Bruder Hans, sie in die geheimen Protestaktionen einzuweihen. Kaum tut er es, belastet es sie schwer. Doch vor Gericht tritt sie ihrem Bruder zur Seite.

Mutig bis in den Tod

War es geschickt, dem eigenen Pflichtverteidiger zu sagen: "Wenn mein Bruder zum Tode verurteilt wird, so darf ich keine mildere Strafe bekommen, denn ich bin genauso schuldig wie er"? Sie hätte ihren Bruder beschuldigen können, um selbst mit dem Leben davonzukommen, doch sie rechnete damit, dass ihr Mut andere Menschen mitreißt und eine Welle des Protests durch Deutschland rollt.

Roland Freisler, der Präsident des Volksgerichtshofes, tobte im Gerichtssaal mal wieder maßlos. Es kam vor, dass sich Kameraleute beschwerten, die Worte der Angeklagten seien nicht zu verstehen. Am 22. Februar verkündete Freisler das Urteil: Todesstrafe wegen Vorbereitung zum Hochverrat und Wehrkraftzersetzung. Noch am am selben Tag wurde das Urteil vollstreckt.