Jahr des Tigers: Glück oder Unglück für die Großkatze?

Jahr des Tigers: Glück oder Unglück für die Großkatze?
Gong Ci Fa Cai - das wünschen sich Millionen Chinesen in der ganzen Welt zum chinesischen Neujahrsfest. Das neue Jahr steht im Zeichen des Tigers, dem Symbol für Kraft und Wohlstand, Leidenschaft und Gesundheit. Nicht zuletzt wegen dieser chinesischen Wertschätzung haben die Tiger in ihrem Jahr wenig Grund zum feiern.
15.02.2010
Von Michael Lenz

Der Tieflandregenwald Bukit Tigapuluh auf Sumatra ist Tigerland. Hier leben noch etwa 40 Tiger. Trotz der geringen Zahl ist der indonesische Nationalpark Sumatras das drittwichtigste Tigergebiet auf Sumatra, wo insgesamt nur noch zwischen 300 und 400 wilde Tiger durch die letzten verbliebenen Urwälder streifen. Tiger sind scheue Tiere. "Ich habe noch keinen gesehen, obwohl ich seit acht Jahren hier draußen lebe", sagt Peter Pratje von der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt und Leiter der Orang-Utan-Auswilderungsstation in Bukit Tigapuluh.

Drei Tigerarten im vergangenen Jahrhundert ausgestorben

Pratje und seine Mitarbeiter stoßen aber immer häufiger auf Tigerspuren. "Das heißt aber nicht, dass hier die Tigerpopulation wächst. Vielmehr hat das mit dem Quetscheffekt zu tun. Der Lebensraum wird durch die Rodung der Wälder für Palmölplantagen immer kleiner und die Tiger werden in den verbleibenden Wald gedrückt. Auf der Suche nach Futter gehen die jungen, unerfahrenen Tiger in die Nähe von Menschen entlang der Straßen und werden Opfer von Wilderei." Dieses traurige Schicksal könnte auch den beiden jungen Tigern drohen, die auf einem sensationellen Video des WWF zu sehen sind. Der Umweltorganisation war es Anfang Januar mit Hilfe von Videofallen in Bukit Tigapuluh gelungen, eine Tigermutter mit ihren beiden Jungen in freier Natur zu filmen.

Den Tigern in den anderen asiatischen Tigerländern zwischen Indien und China, Malaysia und dem asiatischen Teil Russlands geht es nicht besser als ihren Artgenossen auf Sumatra. In freier Wildbahn leben nach Expertenschätzungen weltweit nur noch zwischen 3.200 und 4.000 Tiger. Drei Tigerarten sind im vergangenen Jahrhundert ausgestorben. Möglicherweise ist auch die seltene Art des südchinesischen Tigers bereits vom Erdboden verschwunden. Wissenschaftlich belegte Sichtungen der in Südchina beheimateten Tiere hat seit 20 Jahren keine mehr gegeben.

Tigerteile begehrt in der chinesischen Medizin

Neben dem Verlust des Lebensraums machen Klimawandel und Wilderei den Tigern das Überleben schwer. In der wirtschaftlich boomenden Greater Mekong Region, zu der Thailand, Birma, Laos, China, Kambodscha und Vietnam gehören, zerstören Straßenbau und Dämme den Lebensraum (nicht nur) der Tiger. In den Sundabarns sieht der Bengalische Tiger einer düsteren Zukunft entgegen. Die Existenz der Sundabarns, das größte zusammenhängende Mangrovengebiete der Welt im Grenzgebiet von Indien und Bangladesch, ist durch den Klimawandel gefährdet.

In jeder Tigerregion stellen Wilderer den gestreiften Großkatzen nach, obwohl der Handel mit Tigerprodukten seit 1975 durch die Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Flora (CITES) verboten ist. Tigerkörperteile wie Rippen, Augen, Penis, Haare und gar das Hirn sind extrem populär in der traditionellen chinesischen Medizin. Eine Umfrage in sechs chinesischen Städten aus dem Jahr 2008 hatte ergeben, dass seit der Einführung des gesetzlichen Verbots des Handels mit Tigerprodukten im Jahr 1993 mehr als 40 Prozent der Befragten Produkte konsumiert hatten, die Tigerteile enthielten. 70 Prozent der Befragten lehnten Tigermedizin aus gezüchteten Tieren ab. Für Cremes, Tonika und Tees aus den Knochen sind sie bereit Höchstpreise zu zahlen.

"Jahr des Tigers": Medaille mit zwei Seiten

Das "Jahr des Tigers" ist für die Tigerschützer eine Medaille mit zwei Seiten. Zum einen, so das Kalkül, weckt das Tigerjahr das öffentliche Bewusstsein für den Schutz der Tiger. Auf der anderen Seite besteht jedoch die große Sorge, dass gerade durch das Tigerjahr die Nachfrage nach Tigerprodukte sprunghaft ansteigen könnte. "Wir haben in den letzten Jahren in der Greater Mekong Region einen Anstieg der Tigerwilderei festgestellt", sagt Michael Baltzer, Leiter der WWF-Tigerinitiative.

Rettung soll im September das erste Gipfeltreffen der 13 Tigerstaaten sowie von Tigerschutzorganisationen wie dem WFF bringen, zu dem Russlands Ministerpräsident Waldimir Putin und Weltbankpräsident Robert Zöllick geladen haben. Das ehrgeizige Ziel: durch verstärkte und koordinierte Schutzmaßnahmen die Zahl der wilden Tiger bis 2022, dem nächsten Jahr des Tigers, zu verdoppeln. Der Tagungsort Wladiwostok ist mit Bedacht gewählt. Vom Sibirischen Tiger, der größten Katze der Welt, gibt es vielleicht noch etwa 500 Exemplare.



 


Michael Lenz ist freier Journalist in Südostasien.