Netzwerk gegen Neonazis: Kirche will Zeichen setzen

Netzwerk gegen Neonazis: Kirche will Zeichen setzen
Immer häufiger greifen Neonazis christliche Gemeinden in Deutschland an. Am Freitag gründet sich deshalb die Bundesarbeitsgemeinschaft "Kirche für Demokratie - gegen Rechtsextremismus". Das Bündnis will das politische Bewusstsein für das Problem stärken und Netzwerke fördern.
11.02.2010
Von Corinna Buschow und Bernd Buchner

"Odin statt Jesus" haben sie auf eine Kirche in Limbach-Oberfrohna gesprüht. "Juden raus aus dem Gemeinderat" steht meterbreit auf der Kirche in Dorfhain. Hakenkreuze verschandeln nach einem Einbruch die Innenwände eines Gemeindehauses in Mittweida. Und in Zschopau bereitet ein NPD-Mitglied in der Gemeinde dem Pfarrer schlaflose Nächte. Die Orte liegen alle in Sachsen. Doch auch anderswo häufen sich Angriffe von Rechtsextremen auf Kirchen - im sachsen-anhaltinischen Pretzien etwa wurde jüngst ein Gotteshaus beschmiert. Der Ort erlangte vor einigen Jahren erst traurige Berühmtheit, als Neonazis bei einer Sonnwendfeier eine Ausgabe von Anne Franks Tagebuch verbrannten.

Die evangelische Kirche will diessem Treiben nicht tatenlos zusehen. Am Freitag gründet sich in Dresden die Bundesarbeitsgemeinschaft "Kirche für Demokratie - gegen Rechtsextremismus". Initiatoren sind die "Aktion Sühnezeichen Friedensdienste", das Kulturbüro Sachsen, die Evangelische Erwachsenenbildung im Freistaat sowie der Verein "Miteinander" in Sachsen-Anhalt. Erstunterzeichner des Gründungsaufrufs sind eine Vielzahl evangelischer Kirchenvertreter, unter anderen Sachsens Landesbischof Jochen Bohl, der Hamburger Synodalpräsident Hans-Peter Strenge sowie Politiker demokratischer Parteien. Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat bei ihrer Synode im Oktober in Ulm ihre Unterstützung signalisiert.

Lange kirchliche Tradition

"Viele Kirchen finden sich inzwischen selbst im Visier der Rechtsextremen wieder", erklärt Heike Kleffner, Sprecherin der Aktion Sühnezeichen. Dazu gehörten auch Angriffe auf Mitglieder sogenannter Jungen Gemeinden, "die sich gegen Neonazis engagieren oder sich explizit als nicht-rechts begreifen". Denn die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus hat in deutschen Kirchen eine lange Tradition, so Kleffner. Daran wolle die Arbeitsgemeinschaft anknüpfen. Landeskirchen, regionale Bündnisse und gesellschaftliche Gruppen sollen darin "Erfahrungen austauschen, lernen, sich gegenseitig unterstützen", beschreibt Kleffner das Anliegen des Projekts.

Zudem sollen politische Signale gesendet werden. Als erstes kritisierte die in Gründung befindliche Bundesarbeitsgemeinschaft bereits den im Koalitionsvertrag der Bundesregierung festgeschriebenen Plan, Programme gegen Rechts auf alle Formen extremistischer Gewalt auszuweiten. Eine Gleichsetzung mit Linksextremismus oder Islamismus verharmlose das Problem, heißt es in einer Erklärung. Der Leiter der Evangelischen Erwachsenenbildung in Sachsen, Karl-Heinz Maischner, kann das nur begrüßen. "Kirche äußert sich zu wenig politisch", kritisiert der Pfarrer, der im vergangenen Jahr ein Aktionsjahr seiner Landeskirche gegen Rechtsextremismus mitorganisiert hat. Rechtsextremismus sei ein schwieriges Thema für die Kirche. "Es wird umgangen, weggedrückt." Inzwischen seien viele Gemeinden aber wach geworden.

Unterschwellige Fremdenfeindlichkeit

Maischner glaubt auch, eine "Affinität" von konservativen Christen zu rechtsextremen Themen festgestellt zu haben. Maischners Kollege aus Zschopau teilt diese Einschätzung. Eine "unterschwellige Fremdenfeindlichkeit" lasse sich einfach nicht wegreden, sagt Johannes Roscher. Sein wesentliches Problem zurzeit ist ein Gemeindemitglied, das für die NPD im Stadtrat und im Kreistag sitzt. Roscher stellte ihm im vergangenen Jahr keinen Kirchgeldbescheid zu. "Ich will von dem eigentlich kein Geld", sagt der Pfarrer und langjährige Arbeitslosenbeauftragte der EKD. Ein Gespräch mit ihm habe aber noch nicht stattgefunden, räumt er ein. Wenn es soweit ist, will er ihn vor die Wahl stellen: Kirche oder NPD.

"Rechtsextreme Einstellungen sind mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar", heißt es im Gründungsaufruf des Netzwerkes. Zur Gründungsveranstaltung am Freitag haben sich über 80 Teilnehmer angemeldet, etwa die Hälfte kommt aus den alten Bundesländern. "Wir haben hier genauso ein Problem damit wie im Osten", betont die Frankfurter Pröpstin Gabriele Scherle, die auch den Aufruf unterschrieben hat. Auch Kleffner betont, das "bleibende Problem mit Rechtsextremismus" lasse sich nicht auf die neuen Bundesländer beschränken. Auch im Westen gebe es etwa junge NPD-Mitglieder, die sich zur Konfirmation anmelden, oder Jugendgruppenleiter, die zugleich einer rechten Kameradschaft angehören.

NPD-Mitglied als Kirchenvorstand?

Die EKD-Synode betonte bei ihrer Ulmer Tagung, wie wichtig eine "Vertiefung der theologischen Grundlagen" in der Auseinandersetzung mit rassistischen, antisemitischen und menschenfeindlichen Überzeugungen sei - und riet auch zum Nachdenken darüber, ob Rechtsextremismus und Kirchenmitgliedschaft vereinbar seien. Die Frage ist heikel. In Süpplingen bei Helmstedt wurde vor zwei Jahren ein Landwirt, der der NPD angehört, aus seinem Amt als Kirchenvorstand entlassen. Doch so konsequent wie die Braunschweiger Landeskirche sind andere nicht.

Zumal betont konservative Haltungen, die zuweilen die Grenzen der Demokratie überschreiten, auch in der Kirche weit verbreitet sind. Pröpstin Scherle unterstreicht, als langjährige Mitstreiterin in der Aktion Sühnezeichen sei die Unterstützung der Arbeitsgemeinschaft gegen Rechtsextremismus für sie eine Selbstverständlichkeit - doch seit dem Aufruf hat sie viele Mails und Briefe bekommen. Fast alle kritisierten ihr Engagement, erzählt sie. "Die Kirche ist vielmehr auf dem linken Auge blind", hieß es darin zum Beispiel. Auch Islamfeindlichkeit sei zum Ausdruck gekommen. Diese ist in den vergangenen Monaten verstärkt in Mode gekommen. Gegen diese "Angst vor dem Fremden", wie sie es nennt, gebe es noch viel zu tun - auch in der Kirche.

epd/evangelisch.de