"Der EKD-Rat hat einen Traumstart hingelegt"

"Der EKD-Rat hat einen Traumstart hingelegt"
Ende Oktober hat die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Ulm aus ihren Reihen einen neuen Rat gewählt. Dieser ist nun seit 100 Tagen im Amt. Ulrike Trautwein ist Gemeindepfarrerin in Frankfurt. Für evangelisch.de hat sie eine persönliche 100-Tages-Bilanz des neuen EKD-Rates verfasst.
02.02.2010
Von Ulrike Trautwein

In diesen Tagen werden in den Medien 100-Tage-Bilanzen gezogen. Man darf davon ausgehen, dass eine ganze Reihe davon sehr kritisch ausfallen wird. Die neue Bundesregierung jedenfalls bietet für viele Anlass zur Kritik. Einen erfrischenden Kontrast bietet da wohl die Bilanz, die man nach den 100 Tagen neuer Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland ziehen kann. Der Rat mit seiner neuen Vorsitzenden Margot Käßmann hat einen Traumstart hingelegt.

Dies liegt zunächst einmal an Margot Käßmann selbst. Eher unfreiwillig hat sie mit ihrer Neujahrspredigt eine breite gesellschaftliche Debatte über den Bundeswehreinsatz in Afghanistan ausgelöst. Die wichtige Frage, wie es in Afghanistan weitergehen soll, würde ohne Margot Käßmann wohl nicht so intensiv in der Gesellschaft diskutiert wie jetzt. Es ist ein Erfolg für die Evangelische Kirche, dass es ihr gelingt, Themen – hier das Thema Frieden – zu setzen und eigene Akzente in den Vordergrund zu stellen. Für die gute Arbeitsatmosphäre im neuen Rat spricht, dass er sich hinter seine Vorsitzende gestellt und sie in der Diskussion mit Kritikern unterstützt hat.

Nah bei den Menschen

Margot Käßmann gelingt es, die Menschen an der Kirchenbasis zu erreichen. Es gelingt ihr, weil sie nah an den Menschen ist und deren Ängste und Nöte versteht. Sie kann in einfache - aber nicht banale! - Worte fassen, was Menschen bewegt. Ihre seelsorgerlichen Fähigkeiten hat sie unter anderem mit ihrer Trauerrede für den verstorbenen Nationaltorhüter Robert Enke bewiesen. Margot Käßmann trifft die Menschen direkt ins Herz. Zu wichtigen gesellschaftlichen Fragen wie Krankheit, Beziehung und Erziehung kann sie auch aufgrund ihrer Biografie glaubwürdige Antworten geben, die für viele Menschen nachvollziehbar und verstehbar sind. Wohl auch deshalb erlebe ich, dass auch eher kirchenferne Menschen die evangelische Kirche wieder intensiver wahrnehmen. Bei meinen Gemeindemitgliedern stelle ich fest, dass sie stolz darauf sind, eine so profilierte Ratsvorsitzende wie Margot Käßmann zu haben.

Auch innerkirchlich hat der neue Rat einen guten Start hingelegt. Am vergangenen Wochenende habe ich an einer Tagung des Rates mit den leitenden Geistlichen teilgenommen, bei der über die Situation der Pfarrerinnen und Pfarrer in unserer Kirchen diskutiert wurde, um sie besser in die nötigen Reformprozesse der Evangelischen Kirche einzubinden. Gerade Margot Käßmann hat die schwierige Lage der Pfarrerinnen und Pfarrer und deren Bedeutung für einen erfolgreichen Reformprozess erkannt. Wie es den Verantwortlichen gelingen wird, die "Arbeiter an der Basis" einzubinden und so den Reformprozess positiv zu gestalten, muss die Zukunft zeigen. Aufgrund der bislang guten Zusammenarbeit des Rates, neben Margot Käßmann maßgeblich mitgetragen auch durch den rheinischen Präses Nikolaus Schneider, bin ich aber sehr optimistisch.

Streiten und versöhnen

Der neue Rat hat einen guten Start hingelegt, aber die Strecke ist noch lang. Die Afghanistan-Debatte hat gezeigt, dass sehr stark wahrgenommen wird, wenn der Rat sich zu ethischen Fragen äußert. Hier liegt auch eine besondere Verantwortung. Fragen zu Themen wie Ökologie, Bildung, Sterbehilfe aber etwa auch die Debatte über den Umgang der Kirche mit den eigenen Gebäuden werden weiter eine wichtige Rolle spielen. Kirche muss vorleben, was sie an anderer Stelle fordert. Und nicht immer wird es in allen Punkten Einigkeit geben. Ich jedenfalls bin gespannt darauf, welche Konfliktlinien sich im neuen Rat, aber auch in der Synode, entwickeln werden. Als positiv habe ich dabei immer empfunden, dass unsere Kirche bei allem Streit am Ende immer in der Lage ist, sich zusammenzuraufen und Versöhnung auch zu leben.

 


Ulrike Trautwein (Jg. 1958), Frankfurt a.M., ist Gemeindepfarrerin in Frankfurt-Bockenheim, davor im oberhessischen Laubach. Sie ist Autorin für Verkündigungssendungen im Hessischen Rundfunk und Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland. In Ulm kandidierte sie für den Rat der EKD.