Deutschland finanziert Kernkraftwerk in Brasilien

Deutschland finanziert Kernkraftwerk in Brasilien
Während die Bundesregierung zu Hause über Laufzeiten verhandelt, ermöglicht sie Brasilien den Ausbau seiner Atomenergie - mit deutschen Steuergeldern. Die Opposition ist empört. Die brasilianische Atlantikküste, wo der neue Meiler entstehen soll, gilt als erdbebengefährdet.
28.01.2010
Von Gerhard Dilger

Am Mittwochabend winkte die schwarz-gelbe Mehrheit im Haushaltsausschuss des Bundestages eine Bürgschaft in Höhe von maximal 2,5 Milliarden Euro für das Atomkraftwerk Angra 3 durch. Damit bekommt Brasilien seinen dritten Kernreaktor. Der deutsche Fiskus haftet, falls die Betreiberfirma Electronuclear und der brasilianische Staat die Baufirma nicht bezahlen können.

Die Prüfung sei nach der deutschen Genehmigungspraxis und internationalen Standards erfolgt, entgegnet der CDU-Abgeordnete Norbert Barthle Kritikern, die Sicherheitsbedenken äußern. Denn nach Aussagen von Umweltorganisationen befindet sich der Standort an der brasilianischen Atlantikküste in der einzigen erdbebengefährdeten Region des Landes. Zudem wird der Meiler ebenso wie Angra 1 und Angra 2 in der Bucht des Ferienparadieses Angra dos Reis stehen, kaum 100 Kilometer Luftlinie von der Millionenstadt Rio de Janeiro entfernt.

Rot-Grün verweigerte Exportgarantie

Die rot-grüne Koalition (1998-2005) hatte eine Exportgarantie, mit der der Bund für etwaige Zahlungsausfälle bürgt, verweigert. Nun soll der Bau zügig beginnen. Electronuclear hatte bereits vor zwei Wochen den Baubeginn für Februar angekündigt. Das Projekt geht auf ein Abkommen der deutschen Regierung mit dem brasilianischen Militärregime 1975 zurück. Angra 1 ist US-amerikanischer Bauart und läuft seit 1982. Angra 2 ging nach 25-jähriger Bauzeit 2000 ans Netz und wurde für das hoch verschuldete Brasilien zum wirtschaftlichen Desaster: Der Reaktor verschlang mindestens zehn Milliarden US-Dollar.

Es handle sich um eine "technologisch und finanziell hochriskante Garantie", erklärt der Haushaltsexperte der grünen Bundestagsfraktion, Alexander Bonde. Carsten Schneider (SPD) kritisiert den Export "veralteter Technologie in ein Land mit niedrigem Sicherheitsstandard und ohne unabhängige Atomaufsicht". Die Atomaufsicht ist dem Energieministerium untergeordnet. "Brasilien ist inzwischen ein sehr sicheres Land", sagt hingegen Barthle. Es stehe wirtschaftlich viel besser da als noch vor einigen Jahren. Zudem habe es eine ordentliche Atomaufsicht. "Wir haben uns intensiv von der Bundesregierung informieren lassen, es ist alles in bester Ordnung", versichert er.

"Nicht unsere Entscheidungsbefugnis"

Die Bedenken von Umweltorganisationen wie Greenpeace, Urgewald, Deutsche Umwelthilfe und Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW), dass die Entsorgung des Atommülls in Brasilien nicht geregelt ist, wiegelt Barthle ab. "Wie die mit ihren Resten umgehen, entzieht sich unserer Entscheidungsbefugnis." Außerdem gehe es nicht darum, sondern um den Export von deutschem Know-how und deutschen Reaktor-Teilen. "Es stecken 5.000 Arbeitsplätze dahinter", betont er. Dem Baukonsortium gehört Siemens mit einem Drittel und der französische Atomkonzern mit zwei Dritteln an.

Unter Präsident Luiz Inácio Lula da Silva setzt Brasilien wieder verstärkt auf Atomkraft. Nach aktueller Planung sollen bis 2030 vier weitere AKWs gebaut werden, zwei im Nordosten, zwei im Südosten des Landes. 2008 behauptete Energieminister Edison Lobão sogar, in den kommenden 50 Jahren wolle man 50 bis 60 neue AKWs bauen. Außerdem macht die Regierung keinen Hehl aus ihrer Absicht, sich mittelfristig auch die militärische Nutzung der Kernkraft offenzuhalten. So weigert sie sich, ein Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag zu unterzeichnen, das eine effektivere Kontrolle der Anlagen ermöglichen würde.

Bau von Atom-U-Boot geplant

Mit französischem Know-how soll zudem ein atombetriebenes U-Boot gebaut werden. Schließlich investiert die Regierung in eine Urananreicherungsanlage bei São Paulo, bereits die zweite. "Damit werden wir bis 2014 den Zyklus der Urananreicherung in industrieller Größenordnung beherrschen", sagt Wissenschafts- und Technologieminister Sérgio Rezende voraus. Überschüsse könnten exportiert werden. Der Sprecher von Greenpeace Brasilien, André Amaral, fordert mehr Transparenz. Seit der Militärdiktatur (1964-75) werde die Atompolitik undurchsichtig gehandhabt. "Alle Brasilianer haben das Recht zu erfahren, wie dieser strategische Bereich mit hohen Risiken für Mensch und Umwelt funktioniert."

epd