Nach dem Klimagipfel: Nicht lamentieren - handeln!

Nach dem Klimagipfel: Nicht lamentieren - handeln!
Nach dem bisher größten Klimagipfel aller Zeiten reibt man sich nicht nur in Kopenhagen die Augen: Das soll es nun gewesen sein? Nicht nur in den politischen Gremien, auch bei vielen Nichtregierungsorganisationen, die sich in Kopenhagen engagiert hatten, herrscht jetzt eine Art Katerstimmung – der so genannte "Copenhagen Accord" ist alles andere als ein Durchbruch auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen Strategie zur Bewältigung des Klimawandels.
22.12.2009
Von Hans Diefenbacher

Kein feierlich verkündetes, von den Delegationen der Teilnehmerstaaten verabschiedetes Abschlussdokument, schon gar kein völkerrechtlich bindender Vertrag, der hier vorbereitet worden wäre: Der Copenhagen Accord ist eine unverbindliche Übereinkunft, in der mühselig ein Minimal-Konsens festgeschrieben wurde, die eigentliche Arbeit der Ausgestaltung des Weges zum Ziel wurde vertagt. Man hatte fürwahr mehr gewollt.

"Politik mit dem Klingelbeutel": Tun die Kirchen genug?

Aber Vorsicht: Moralische Entrüstung, Schuldzuweisungen an andere, der Vorwurf eines kompletten Politikversagens sind jetzt billig zu haben. Wer sie äußert, sollte sich zugleich fragen: Was tun wir selbst? In Kopenhagen wurde vereinbart, dass die Staaten bis Februar 2010 ihre freiwilligen Beiträge zum Klimaschutz konkretisieren sollen: "Politik mit dem Klingelbeutel", hat Hans Joachim Schellnhuber diesen Schritt kommentiert. Diese Konkretisierung könnten nicht nur Staaten für sich in Angriff nehmen – auch die Kirchen könnten diesen Aufruf zum Anlass nehmen zu prüfen, ob sie bereits genug tun, um die Empfehlung der EKD-Synode vom November 2008 in die Tat umzusetzen: eine Reduktion ihres CO2-Ausstoßes um 25 Prozent bis 2015 – gemessen am Basisjahr 2005 – zu erreichen.

Einige Landeskirchen sind hier auf einem guten Weg – aber wird es ausreichen? Investieren wir imn Kirche und Diakonie genug in ein energieeffizientes Gebäudemanagement? Wählen wir bei den Produkten, die wir benötigen, die ökologisch sinnvolle Variante – zum Beispiel bei Strom, Papier, Ernährung? Und wie organisieren wir unsere Mobilität?

Hohe Kompensationen für Treibhausgas-Emissionen

Das Minimalpapier von Kopenhagen ist besonders heftig von Delegierten aus Afrika und der Südsee kritisiert worden – zu Recht. Wenn sich deren Länder an den Klimawandel anpassen müssen, erfordert dies große Anstrengungen, und es ist weit mehr Unterstützung nötig, als in Kopenhagen an Zahlungen ins Auge gefasst wurde. Es ist eine Binsenweisheit, dass die Anpassung an den Klimawandel um so teurer wird, je später die Treibhausgas-Emissionen verringert werden. Insofern kostet das Scheitern von Kopenhagen sehr viel Geld.

Wenn aber das Ziel der ökologischen Gerechtigkeit nicht nur in den Ethik-Lehrbüchern stehen soll, dann bedarf es der Bereitschaft, hohe finanzielle Kompensationen für Treibhausgas-Emissionen zu leisten. Die Synode der EKD hat seit 2008 die CO2-Emissionen, die bei der Durchführung ihrer Tagungen und den An- und Abreisen der Synodalen entstehen, in eigenen Klimaschutz-Projekten kompensiert. Ein Tropfen auf den heißen Stein, sicher: Aber dieses Beispiel könnte im kirchlichen Bereich noch viele weitere Nachahmer finden.

Nationale Bemühungen als erste Schritte - jetzt!

Nach Kopenhagen ist im Jahr 2010 ein Neustart in der internationalen Klimapolitik nötig. Er wird nur dann erfolgreich sein, wenn auch die nationalen Bemühungen verstärkt werden – jetzt gerade. Das Ziel war schon vor Kopenhagen klar: Wenn die Erwärmung der Erdatmosphäre möglichst auf maximal zwei Grad Celsius beschränkt werden soll, dann werden die reichen Länder ihre Emissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts um etwa 80 Prozent verringern müssen. Der Weg dorthin beginnt mit den ersten Schritten – die jederzeit weiter getan werden können und die keine internationalen Konferenzen erfordern.

Dennoch: Es ist ein Segen, dass Konferenzen wie jene in Kopenhagen stattfinden. Sie sind nicht mehr wegzudenken; sie führen im besten Fall dazu, dass die Vision einer "Weltinnenpolitik" über die Jahre immer mehr zur Wirklichkeit wird. Man stelle sich nur einmal vor, ein solcher Rhythmus von Weltkonferenzen wäre in den Zwanziger und Dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts möglich gewesen. Klimaschutz und internationale Gerechtigkeit werden weder heute noch in absehbarer Zeit von der Agenda der internationalen Organisationen verschwinden. Die Anstrengungen der reichen Länder, durch ihre eigene Praxis zu zeigen, dass es möglich ist, die CO2-Emissionen zu verringern und dabei eine hohe Lebensqualität zu sichern, wären der beste Garant für ein – wenn auch dann verspätetes – internationales Abkommen.


Prof. Dr. Hans Diefenbacher arbeitet als stellvertretender Leiter der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft Heidelberg und lehrt Volkswirtschaftslehre an der Universität Heidelberg. Seit langen Jahren agiert er ehrenamtlich als Beauftragter des Rates der EKD für Umweltfragen.