Übers Internet zurück zum wirklichen Leben

Übers Internet zurück zum wirklichen Leben
Jenseits der zahlreichen Dating-Websites verabreden sich in Paris wildfremde Menschen über das Web zu alltäglichen Freizeitbeschäftigungen: Scrabble spielen, Salsa tanzen, Sushi essen.
24.11.2009
Von Ulrike Koltermann

"Das ist ein Tennisschläger, keine Fliegenklatsche", ruft Jean-Marc über den Platz und lacht über Delphines Aufschlag. "Pass' bloß auf, ich werde Dich noch zum Laufen bringen", ruft sie zurück und spielt den Ball randscharf in die Ecke. Bei dem Tennismatch an einem kühlen Pariser Novembermorgen wird viel gefrotzelt. Dabei haben sich Jean-Marc und Delphine gerade erst kennengelernt.

Sie gehören zur ständig wachsenden Gemeinschaft der Pariser, die ihre Freizeitpartner kurzfristig per Internet suchen. "Zurück zum wirklichen Leben" lautet das Motto der Website "onvasortir.com" (on va sortir = wir unternehmen was), die nichts mit den üblichen Flirt- und Kennenlern-Angeboten im Netz zu tun hat.

Mit Menschen verabreden, die gerade Zeit haben

Im Unterschied zu "parship.com", "meetic.com" und ähnlichen Webseiten geht es nicht darum, potenzielle Partner ausfindig zu machen, sondern um konkrete Aktivitäten mit mehreren Leuten.

Und das kann so gut wie jede Freizeitbeschäftigung sein - vom Scrabble-Spielen über Sushi-Essen bis zum Salsa-Tanzen. Hier trifft sich eine Gruppe zum Klamottentauschen ("Größe 38/40, alle Stile"), dort bietet jemand Hilfe beim Fahrradreparieren an. Die einen wollen am Samstagabend ins Theater, die anderen am Sonntagmorgen Roller- Skates fahren oder durch den Park joggen ("40 Minuten nicht zu schnell, und nachher noch ins Café").

"Der Vorteil ist, dass man schnell Leute findet, die zu denselben Dingen Lust haben und zur gleichen Zeit können", meint Delphine. Es sei oft schon schwierig genug, sich mit den eigenen Freunden fürs Kino oder Theater zu verabreden, weil alle ständig Termine hätten. Und so lernt man auch mal wieder neue Leute kennen - beispielsweise Tennispartner, die im selben Viertel wohnen und ein ähnliches Spiel-Niveau haben.

Zusammen ins Museum gehen

Die Anmeldung ist gratis. Die Internetseite finanziert sich halb durch Online-Werbung, halb durch Veranstaltungen mit kommerziellen Partnern, wie etwa Partys, die Eintritt kosten. Im vergangenen Jahr betrug der Umsatz knapp 120.000 Euro. "OVS", wie die Webseite von Parisern genannt wird, existiert bereits seit vier Jahren, hat aber vor allem in den vergangenen zwölf Monaten kräftig Mitglieder gewonnen. Derzeit sind 80.000 Ausgeh-Freudige angemeldet, die meisten von ihnen in Paris. Aber es gibt mittlerweile Ableger in anderen französischen Städten.

Olivier war bereits in Marseille "OVS"-Mitglied und ist kürzlich nach Paris gezogen. Gleich am ersten Abend meldet er sich zu einem "Glas Wein im 11. Arrondissement" an. "Es ist klasse, so kann ich am einfachsten neue Leute treffen", meint er. Ähnlich wie bei Facebook kann sich jeder Nutzer ein Profil anlegen und so viel von sich preisgeben wie er möchte. Wer das Profil eines anderen Teilnehmers anklickt, bekommt mit verschiedenen Farben angezeigt, wo es sich mit den eigenen Interessen deckt.

"Klar gibt es Leute, die nur flirten wollen", meint Virginie. "Aber die melden sich dann auch nicht unbedingt an, um eine Tizian-Ausstellung anzusehen", fügt sie hinzu. Sie hat gerade eine Führung im Louvre hinter sich und sitzt nun mit drei anderen "OVS"'lern im Museumscafé. Schnell entwickelt sich eine lebhafte Diskussion über die Ausstellung. "Wenn ich Leute sympathisch finde und wiedersehen will, kann ich sie auf "OVS" leicht kontaktieren. Und wenn nicht, dann haben wir zumindest einen netten Abend gehabt."

dpa