Albrecht Müller: Reformen müssen Verbesserungen bringen

Albrecht Müller: Reformen müssen Verbesserungen bringen
Sind unsere Eliten außer Kontrolle? Dieser Frage widmete sich der Volkswirt und Buchautor Albrecht Müller in der derzeit krisengeschüttelten Region Nürnberg.
20.11.2009
Von Norbert Feulner

Am sozialpolitischen Buß- und Bettag hatte unter anderem der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt (KDA) in Nürnberg zur Frage geladen: Eliten außer Kontrolle? Gerade in der Region Nürnberg und Fürth spüren viele Menschen derzeit sehr intensiv, was es heißt, wenn Eliten außer Kontrolle geraten und Topmanager versagen: Beide Städte sind hart von der Quelle-Pleite betroffen. Daher zählte die Veranstaltung zur bestbesuchten in dieser Reihe. Gut 450 Menschen lauschten den Worten von Albrecht Müller, Volkswirt, Buchautor und Referent des Vortrags.

Müller kritisierte die politischen Entscheider in diesem Land schonungslos. Den Eliten wirft er vor, dass "sie sich abgesetzt haben von den übrigen Menschen" und sich "kaum in die Lage der Menschen versetzen können", die beispielsweise von Hartz IV leben müssen. Er prangerte vor allem die Stimmungsmache gegen die Schwachen an und nannte dabei viele Beispiele (Interview von Thilo Sarrazin). Besonders kritisierte Müller die Meinungsmanipulation der Beeinflussungsindustrie, zum Beispiel von der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" und ihren Experten. Sie forderten, Lebensrisiken zu privatisieren, zum Beispiel bei der Altersvorsorge: "Das Vertrauen der Menschen in Experten wird missbraucht", so Müller.

Ärgerlich sei auch die Umdeutung des Begriffs "Reform". Müller verweist auf seine Zeit als aktiver Politiker, wo Reformen noch Verbesserungen für die Menschen bedeuteten. Heute dagegen stehe häufig eine Bereicherung der oberen Schicht dahinter. Müller legte auch die Widersprüche neoliberaler Denkmuster offen: "Eigenverantwortung wird plötzlich zur Pflicht." Und erwähnt in diesem Zusammenhang die beabsichtigten Änderungen bei der Pflegeversicherung.

Den Zweifel wieder lernen

Für Müller steht daher fest: "Unsere Demokratie ist in Not. Ein Aufbegehren ist dringed notwendig." Auch aus dem Publikum kam die Nachfrage nach den Möglichkeiten der Gegenwehr: "Was können wir denn tun?" Als einen wichtigen ersten Schritt schlägt Müller vor: "Wir müssen wieder lernen zu zweifeln." Freude drückte Müller darüber aus, dass in Nürnberg die Kirchen und Gewerkschaften sich gemeinsam für die Sache der Arbeitnehmerschaft einsetzen. Der evangelische Dekan Wolfgang Butz verweist in diesem Zusammenhang auf die "Nürnberger Erklärung" der beiden Kirchen und des DGB als einen gemeinsamen Mahnruf für Gerechtigkeit.

In einer biblischen Reflexion führte Thomas Zeitler, Theologischer Referent im Projekt "Förderung der Arbeit mit evanglischen Verantwortungseliten" beim Kirchenamt der EKD, mit fünf Schlaglichtern ins Thema ein. Zeitler: "Wer über Elite redet, muss also über Macht und Herrschaft reden." Zeitler stellt auch Erwartungen an Kirche. Sie kann Fragen stellen, z.B. danach, "wie sich Legitimaton und Vertrauen bildet". Oder: "Auf welchem Nährboden wächst Verantwortung?" Er sieht auch, dass "Kirche ihre Macht einsetzten und mithelfen kann, dass so etwas entsteht wie eine chrisliche Verantwortungselite. Als ein Vorposten von einer Werteelite inmmitten der Machtelite".

"Wir haben mit unserer Veranstaltung ein brennendes Thema aufgegriffen. Die Menschen haben ein Verlangen nach Aufklärung, Reflexion und Gegenbewegung", resümiert Norbert Feulner vom KDA.


Über den Autor: Norbert Feulner ist Sozialsekretär beim Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern.