Krimis: Verbrechen, Mord und Halleluja

Krimis: Verbrechen, Mord und Halleluja
Geschichten über Mord und Totschlag sind beliebt. Eigenartig. Im wirklichen Leben streben alle nach Friede, Freude, Harmonie. Trotzdem sind Krimis Quotenbringer in TV und Buchhandel. Warum Krimis faszinieren und die Bibel ein Thriller ist.

Er hatte keine Chance. Hinterlistig erschlagen – vom eigenen Bruder. Neid, Eifersucht und das Gefühl, immer zu kurz zu kommen. Enttäuschung steigert sich zu Hass. Und dann geschieht das Unfassbare: Kain tötet Abel. Das erste Gewaltverbrechen der Menschheit. Ein Präzedenzfall.

"Kain und Abel ist die beste Krimischule, die es gibt", sagt die Bestseller-Autorin Åsa Larrson. Die "Krimi-Königin aus Schweden" ist mit Romanen wie "Bis dein Zorn sich legt" oder "Weiße Nacht" international erfolgreich. Die Bibel zählt die 42-Jährige zu ihren Inspirationsquellen: "Ich merke, dass die Geschichten des Alten Testaments starken Einfluss auf mein Schreiben haben." Die Schönheit, Dramatik und Brutalität der Geschichten faszinieren die Krimi-Autorin. "Ich mag die Antihelden der Bibel", sagt ?sa Larrson. "Sie sind voller Zweifel und ringen mit ihrer persönlichen Bestimmung." Und wie in der Bibel geht es auch in Krimis um die Suche nach Gerechtigkeit, stellt die Schriftstellerin fest.

800 Kriminalromane pro Jahr

Krimis, Dramen, Psycho-Thriller: In Deutschland erscheinen jährlich etwa 800 neue Kriminalromane. Bücher aus dem Bereich "Spannung" verzeichnen auf dem Belletristikmarkt den zweithöchsten Marktanteil, informiert der Börsenverein des Deutschen Buchhandels: 2008 stieg der Umsatz mit Krimis und Thrillern um 4,7 Prozent auf knapp 25 Prozent. Auch im Fernsehen sind Krimis die Quotenbringer. Wenn sonntags die Tatort-Kommissare bei der ARD Verbrecher jagen, sitzen Millionen Bundesbürger vor den Fernsehern. Die meisten Deutschen mögen Geschichten über Verbrechen: "Wie gerne sehen Sie Krimiserien und Krimifilme?", fragte 2008 das Institut für Demoskopie Allensbach. Ergebnis: Krimis sind bei 70 Prozent der Befragten beliebt.

Krimis geben einen besonderen Kick, erklärt Kriminalpsychologin Ursula Gasch. "Der Nervenkitzel ist eine wunderbare Strategie, um aus dem Alltag auszubrechen." Als Ablenkung wirken Krimis weitaus stärker als etwa Schlagerschnulzen oder Heile-Welt-Geschichten. "Angst ist ein mächtiges Gefühl", erklärt die Kriminologin aus Tübingen. Und dieses Spiel mit der Angst trägt maßgeblich zur Beliebtheit der Geschichten über Mord und Totschlag bei. Ob fiktiv oder echt: "Wenn wir Furcht empfinden, werden in unserem Gehirn Areale angesprochen, die uns willentlich nicht zur Verfügung stehen", sagt Gasch.

Archaischer Schutzmechanismus

Stresshormone werden ausgeschüttet. Reflexartig spult der Organismus sein uraltes Notfallprogramm ab – wie schon in der Steinzeit. Flucht? Oder Angriff? Blitzschnell fällt die Entscheidung, welches Verhalten der Situation angemessen ist. Angst ist ein archaischer Schutzmechanismus, erläutert Gasch. "Wenn ein Krimi genügend Nervenkitzel erzeugt, werden damit andere Gedächtnisspuren überlagert." Die Sorgen des Alltags verschwinden – zumindest bis das Buch zugeklappt ist oder der Film endet.

Ein guter Krimi lebt vom ewigen Widerstreit zwischen Gut und Böse. Und der Neugier. Wer war der Täter? Was war das Motiv? Gibt es neue Indizien? Fragen über Fragen. Wie in einem ein Puzzle fügen sich rätselhafte Details zusammen. "Menschen lassen sich wunderbar manipulieren", stellt Gasch fest. "Kriminalgeschichten konfrontieren uns mit unseren eigenen Schwächen." Die Psychologin vergleicht Krimis mit Rollenspielen. Die Leser oder Zuschauer können in den verschiedenen Charakteren positive und negative Seiten von sich selbst entdecken. "Diese Identifikation spielt beim Krimigenuss eine wichtige Rolle", sagt Gasch. "Wir können uns dabei auch selbst auf die Schliche kommen." Und noch ein Punkt trägt zum Erfolg des Genres mitentscheidend bei: "Krimis sind problemlösungsorientiert", betont Gasch. Der Fall wird in aller Regel gelöst – alles wird gut.

Gewalt und Verbrechen haben nicht das letzte Wort. Diese tröstende Zuversicht verbindet den Krimi mit dem Buch der Bücher. "Krimis sind moderne Varianten von Fällen, die bereits in der Bibel beschrieben sind", sagt Bertram Salzmann von der Deutschen Bibelgesellschaft. "Streckenweise liest sich die Bibel wie eine Kriminalgeschichte der Menschheit." Die Heilige Schrift birgt zahlreiche Geschichten über Verbrechen.

Kriminalgeschichten der Bibel

25 Fälle hat Salzmann in dem Buch "Kriminalgeschichten der Bibel" zusammengefasst. Und das ist lediglich eine kleine Auswahl in Anbetracht der zahlreichen Delikte, die die Bibel beschreibt. Zum Beispiel Menschenhandel: Josef wird von seinen Brüdern als Sklave nach Ägypten verkauft (1. Mose, 37, 2-36). Mord und sexuelle Nötigung: König David nimmt sich die schöne Nachbarin Batseba und schmiedet gegen deren Mann Urija ein Mordkomplott ( 2. Samuel 11, 1-12). Bekannt aus der Weihnachtsgeschichte ist das Massaker an Bethlehems Säuglingen, das König Herodes befahl (Matthäus 2,1-18).

"Die biblischen Kriminalfälle haben Aussagekraft", betont Salzmann. "Sie sind mit Bedacht in den Kanon der heiligen Schrift aufgenommen worden." Beispielhaft stehen sie für das Böse, zu dem Menschen fähig sind. Ob Wut, Rache, Gier, Eifersucht oder Hass: Die Bibel-Thriller beschreiben in Grundmustern die niederen Beweggründe aus denen Verbrechen begangen werden. Am Ende wird das Böse überführt. Wie im Krimi, so auch in der Bibel: "Gott steht für Gerechtigkeit ein, wenn auch nicht immer unmittelbar", sagt Salzmann über die Botschaft der biblischen Kriminalfälle. So wie im Mordfall Abel: Kain wird von Gott als Täter überführt und bestraft.