Wie Silver Surfer das digitale Informationsmeer meistern

Wie Silver Surfer das digitale Informationsmeer meistern
Es gibt immer mehr "Silver Surfer", wie die Senioren im Internet in der Sprache der Werber genannt werden. Schon fast jeder zweite Bundesbürger im Alter zwischen 55 bis 74 Jahren ist zumindest gelegentlich online. Diese Zahl veröffentlichte der Verband Bitkom kürzlich. Aber weitere Erkenntnisse über diese Nutzergruppe waren bislang rar. Am Donnerstag wurden auf einer wissenschaftlichen Tagung in Erfurt erste Forschungsergebnisse präsentiert, die über die Zahlen hinaus gehen. Unter anderem lassen sich die Senioren in verschiedene Typen des Internetnutzers einordnen.
30.10.2009
Von Katharina Weyandt

Die "Experten", das ist die erste von sieben typischen Gruppen, die Claudia Zeisel von der Jesuitenhochschule für Philosophie in München in einer Studie gefunden hatte. Dazu hat sie elf Frauen und zwei Männer zwischen 67 und 90 Jahren in Leitfaden-Interviews befragt. "Jetzt bin ich ein Internet-Freak", so hatte einer der Senioren ihr erklärt. Er, ehemaliger Buchhalter, nutzte als Frührentner den PC zur geistigen Fitness. Jetzt vermittelte er sein Wissen auch in Kursen an andere Senioren weiter. Eine weitere "Expertin" Frau B. (68) hatte noch in ihrer Berufstätigkeit als Sekretärin den Nutzen der Rechtschreibprüfung beim Tippen erkannt, um ihrer lebenslangen Schwäche als Legasthenikerin abzuhelfen.

Erst nach der Rente hatten sich die Gruppe der "Zielstrebigen" die Tricks und Tücken des PCs angeeignet. Typisches Zitat: "Ich dachte, ich kapiere es schneller, aber ich bleibe am Ball." Vor dem Publikum aus rund 60 meist wissenschaftlich Interessierten aus ganz Deutschland berichtete die junge Forscherin auch von einer Frau aus dieser Gruppe, welche sich quasi als Altersvorsorge die Nutzungskenntnisse aneignete, für den Fall, dass sie einmal aus Gesundheitsgründen nicht mehr aus dem Haus könne.

Im Internet ist niemand mehr schwerhörig

Ein weiterer, dritter Typ nutzte den Computer vor allem kommunikativ ausschließlich für E-Mails und Kontakte auf Community-Plattformen. Dazu gehörte ein schwerhöriger 67-jähriger, der sich besser dort mit seinem Profil darstellen kann, weil sonst die Schwerhörigkeit bei der Kontaktaufnahme im Vordergrund steht. "Dafür kann das Internet ein Segen sein", so Claudia Zeisel.

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Die "Nutzenden mit Informationsorientierung" waren in ihrem Fall zwei ehemalige Lehrerinnen in Seniorenwohnungen, welche von den Lexika und anderen Recherchemöglichkeiten profitierten. Eine sechste Gruppe wollte zwar PC und Internet nicht aktiv nutzen, aber interessierte sich theoretisch für die vielfältigen Möglichkeiten der neuen Medien.

Komplett desinteressiert zeigte sich nur die Älteste aus den Befragungen, eine 90-Jährige. Sie, die früher Wanderungen geleitet habe, belege zwar noch viele andere Kurse, aber keine zum PC. Wie auch andere Forscher bestätigten, war für den Erwerb der Kenntnisse die Motivation ausschlaggebend und nicht die früheren Kenntnisse aus dem Berufsleben.

Geduldige Gesprächspartner gebraucht

Besonders förderlich war die Anerkennung der jüngeren Generation. So berichtete Zeisel von einer Dame, die das erste Mal ein Internetcafé betrat. Zwar habe sie dort nicht wie erwartet eine leckere Tortenauswahl gefunden, sondern gerade mal ein Eis aus der Truhe bekommen, aber dafür sei die Tochter beim abendlichen Telefonat über diese Nachricht "Mutter war im Internetcafé" geradezu begeistert gewesen.

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Als Hindernisse wurden genannt, dass das Lernen im Alter schwerer falle, häufigeres Nachfragen nötig sei und dafür ein geduldiger Gesprächspartner gebraucht würde. "Ich will meinem Sohn mit meinen Fragen nicht zur Last fallen", so eine beispielhafte Aussage.

Aus dem Publikum kam von einem Mitglied des Seniorenbeirats Erfurt der Hinweis auf die Kosten des PC als Hindernis. Der die Studie betreuende Professor Dr. Rüdiger Funiok verwies als eine Lösung auf das Beispiel anderer Länder, in denen die Nutzung von Internetcafés der häufigste Zugang zu PC und Netz darstellt.

Webseiten für die Zielgruppe helfen

Oberkirchenrat Udo Hahn, verantwortlich für das Referat Medien und Publizistik der EKD, bezeichnete es in seinem Grußwort als wichtig, die gesellschaftliche Partizipation älterer Menschen weiter zu stärken. Die Bibel, in der die Gesellschaft von den Alten profitiere, sei ein Modell. Um ihre Partizipation zu stärken, gebe es speziell für die Generation 59+ das evangelische Portal www.unserezeiten.de, welches auf der Tagung als ein Praxisbeispiel am zweiten Tag vorgestellt wurde. Und natürlich sind Silver Surfer auch jederzeit in der Community von evangelisch.de willkommen.

Veranstalter der Tagung in Erfurt war die Fachgruppe Medienpädagogik der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft gemeinsam mit der Thüringer Landesmedienanstalt und der Evangelischen Kirche in Deutschland.


 

Katharina Weyandt ist freie Autorin und schreibt für evangelisch.de über alles, was mit dem Thema "Älter werden" zusammenhängt. Sie moderiert auch den Kreis "Wenn die Eltern älter werden" in unserer Community.