EKD-Ratsvorsitz: Margot Käßmann oder ein Mann?

EKD-Ratsvorsitz: Margot Käßmann oder ein Mann?
In Ulm steigt die Spannung: Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) entscheidet am Mittwoch über die Nachfolge des scheidenden Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber.
26.10.2009
Von Bernd Buchner

Mit dem Schwerpunkt "Ehrenamt" befasste sich am Montag die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) – ein wichtiges Thema für Gemeinden und Gesellschaft. Doch alle Augen in Ulm sind bereits auf ein Hauptamt gerichtet: Am Mittwoch entscheidet das Kirchenparlament über die Nachfolge von Bischof Wolfgang Huber im EKD-Ratsvorsitz. Welche Persönlichkeit repräsentiert künftig die knapp 25 Millionen Protestanten im Land? Das Wahlverfahren ist kompliziert, die Spannung steigt – und der Ausgang scheint mehr denn je offen.

Als Favoritin gilt weiterhin Landesbischöfin Margot Käßmann (51) aus Hannover. Sie nutzte ihren fünfminütigen Auftritt am Montagabend bei der Vorstellungsrunde der 21 Kandidaten für den EKD-Rat zu einem engagierten Plädoyer für attraktive Gottesdienste und eine "ökumenische Horizonterweiterung". Aufmerksam registrierten Beobachter, dass Käßmann großen Beifall von den Synodalen erhielt – zumal sie auch kritische Punkte wie ihre Scheidung angesprochen hatte. Vor sechs Jahren hatte sich die Bischöfin mit einer flapsigen Bewerbungsrede noch eine Hängepartie bei der Wahl in den EKD-Rat eingehandelt.

Doch neben Käßmann wird auch eine Reihe von Männern immer wieder als mögliche Huber-Nachfolger genannt. Der badische Landesbischof Ulrich Fischer (60) bekannte sich in seiner sympathischen Vorstellungsrede zur Verpflichtung zur Ökumene, die im Südwesten eine besondere Rolle spielt, verwies aber zugleich auf seinen Zugang zu den Evangelikalen. Engagiert und zupackend auch der Auftritt von Bischof Martin Hein (55) aus Kurhessen-Waldeck, der sich mit der Bezeichnung "evangelisch" bewusst vom Konfessionalismus lutherischer oder reformierter Prägung absetzte. Kürzlich war Hein Gastgeber der EKD-Zukunftswerkstatt in Kassel.

Fischer, Hein, July, Bohl

Auf ihre Prägung durch die diakonische Arbeit verwiesen der württembergische Landesbischof Frank Otfried July (55) und sein Amtsbruder Jochen Bohl (59) aus Dresden, denen ebenfalls gewisse Chancen eingeräumt werden. Bohl ist der einzige Bewerber aus den östlichen Landeskirchen – wenngleich er aus Westfalen stammt.

Immerhin Außenseiterchancen auf das höchste EKD-Amt werden auch den anderen kirchenleitenden Persönlichkeiten unter den Ratskandidaten eingeräumt. Der rheinische Präses Nikolaus Schneider (62) kam mit persönlichen Worten zu seiner Familie sowie mit klaren Worten gegen die christliche Judenmission bei den Synodalen gut an. Der reformierte Kirchenpräsident Jann Schmidt, der am Samstag 61 Jahre alt wurde, plädierte für eine starke EKD und zugleich für eine Beibehaltung der vielfältigen reformatorischen Strömungen. Erst seit einem Jahr im Amt ist der Kieler Bischof Gerhard Ulrich (58), der ebenfalls erstmals für den Rat kandidiert.

Kompliziertes Wahlverfahren

Unwägbar wird die Entscheidung über den EKD-Ratsvorsitz vor allem durch das komplexe Wahlverfahren. Aus dem Kreis der 21 werden am Dienstag zunächst die Mitglieder des 15-köpfigen Rates gewählt, dem Synodenpräsidentin Katrin Göring-Eckardt qua Amt bereits angehört. Jeder Bewerber benötigt eine Zweidrittelmehrheit der Delegierten – und es wird so lange gewählt, bis 14 von ihnen das Quorum erreicht haben. Der Rat konstituiert sich am Mittwochmorgen und legt der Synode sodann einen Personalvorschlag für den Vorsitz vor – dem die Kirchenparlamentarier wiederum mit Zweidrittelmehrheit zustimmen müssen.

Als gesetzt für den Chefposten gelten jene, die bereits früh und mit hoher Stimmenzahl in den Rat gewählt wurden. Aber ein Selbstläufer ist das nicht. Klaus Engelhardt etwa wurde 1991 zum EKD-Ratschef bestimmt – er war zuvor weder Favorit noch hatte er bei der Ratswahl die meisten Stimmen erhalten. Auch Manfred Kock war sechs Jahre danach eine Überraschung: Die Synode zog ihn dem als zu selbstbewusst empfundenen Wolfgang Huber vor, der erst 2003 im zweiten Anlauf an die Spitze gelangte. Oft wird deshalb die Analogie zur katholischen Kirche bemüht: Wer als Papst ins Konklave geht, kommt als Kardinal wieder heraus.

Friedrich hat keine Ambitionen

Deshalb vermeiden die Bewerber – und alle, die sich dafür halten – jeden auch noch so geringen Anschein von Wahlkampf. Legitim hingegen ist der vorweggenommene Verzicht: So ist der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich (61) der einzige Ratskandidat, der Ambitionen auf den Vorsitz kategorisch ausgeschlossen hat. Der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) will im Rat aber weiter lutherische Interessen vertreten und sich zugleich für die Vertiefung des Verbindungsmodells einsetzen, mit dem sich EKD und dessen gliedkirchliche Zusammenschlüsse enger verzahnen.

Dieses Thema wird auch auf der Agenda des oder der neuen Ratsvorsitzenden stehen – neben der Fortführung des 2006 begonnenen Reformprozesses, mit der sich die EKD angesichts knapper Finanzen und sinkender Mitgliederzahlen für die Zukunft fit machen will. Bohl war der einzige, der in der Vorstellungsrunde direkt auf die Reform zu sprechen kam. Das aber will keineswegs heißen, dass die anderen Bewerber mit "Kirche der Freiheit" nichts am Hut hätten. Die neue Person an der Spitze der deutschen Protestanten wird eine Menge Arbeit vorfinden – und muss nach den markanten Huber-Jahren einen eigenen Stil finden. "Egal wer es wird: Es wird anders", so ein Beobachter.


Der Dienstag und der Mittwoch der Ulmer Synode werden live im Internet übertragen. Auch auf evangelisch.de kann man sich die Arbeit der Synodalen anschauen, und zwar hier. Die Übertragung beginnt am Dienstag, 27. Oktober, um 9 Uhr morgens.


 

Bernd Buchner ist Redakteur bei evangelisch.de und unter anderem zuständig für das Ressort Religion.