Drogenkrieg unterm Zuckerhut: Wie die Polizei Frieden stiftet

Drogenkrieg unterm Zuckerhut: Wie die Polizei Frieden stiftet
Dona Marta ist kein gewöhnliches Armenviertel in Rio de Janeiro: Bunt bemalte Häuser kleben eng aneinander am Hang, eine Zahnradbahn fährt den Berg hinauf - zum Nulltarif. Touristen schlendern durch die Gassen der Favela, die einst als sehr gefährlich galt.
23.10.2009
Von Gerhard Dilger

Oben genießen sie das Panorama: Links der Zuckerhut, rechts die Christusstatue auf dem Corcovado, und am Horizont das glitzernde Meer. Der Popstar Michael Jackson ließ 1996 hier einen Videoclip drehen.

Die Ruhe in dem Viertel hebt sich von der Realität in anderen Armenvierteln Rios ab: Dort sind Bandenkriege und Schießereien Alltag. Und dabei bekam die brasilianische Hafenstadt vor kurzem den Zuschlag für die Olympischen Spiele 2016. Wenig später wurden nach Gefechten in den Slums in einer Woche 36 Tote gezählt. Drogenhändler schossen sogar einen Hubschrauber der Militärpolizei ab.

Spielraum für die Mafia wird enger

Auslöser der Unruhen war der Kampf rivalisierender Drogenbanden um die Kontrolle über lukrative Kokain-Umschlagplätze. Doch der Spielraum für das organisierte Verbrechen wird enger, seitdem die Polizei im Rahmen eines Modellversuchs die Kontrolle über vier Favelas übernommen hat. Dort, etwa in Dona Marta im Stadtteil Botafogo, brauchen die Menschen keine Angst mehr vor tödlichen Querschlägern zu haben.

Zuerst hat die Polizei vor einem Jahr die Drogenhändler in einem Großeinsatz vertrieben. Dann begann eine Einheit der "Befriedungspolizei" mit 120 extra ausgebildeten Uniformierten das Viertel Dona Marta dauerhaft zu sichern. Es wurden Überwachungskameras installiert. Zudem gelang es, Touristen und Besucher in das Gebiet zu locken. "Der Drogenhandel geht, die Polizei bleibt - für immer", verspricht Sicherheitsminister José Mariano Beltrame.

Pierre Ávil vom Verein "Soziale Haltung", der in der Favela Musikkurse organisiert, begrüßt die neue Regierungspolitik für das Viertel. Gut sei vor allem die Öffnung von Dona Marta für Außenstehende und die versprochenen Gelder für Kulturprogramme.

Kritiker rügen autoritäre Kontrollen

Doch es gibt auch viel Kritik: "Für mich hat sich nicht viel geändert", meint Daniel Cunha, der ein Internetzentrum leitet. Die mittlerweile vertriebenen Drogenhändler hätten sich ja nicht mit den Bewohnern angelegt, sagt der 18-Jährige. Auch mit der Polizei komme es immer mal wieder zu Reibereien: "Manchmal gehen sie ohne Grund ins Viertel, fahren junge Leute mit lauter Stimme an, verbieten Feste."

Hinter dem Vorgehen der Behörden vermutet die Kriminologin Vera Malaguti System: "Es ist eine Besatzungspolitik mit autoritären Kontrollmaßnahmen, um die arme Bevölkerung in Schach zu halten." Die Stadt versuche, soziale Konflikte mit dem Strafrecht und den Gerichten zu lösen. Das habe Brasilien aus den USA importiert.

"Wir wollen mitreden"

Trotz der verbesserten Sicherheitslage hat sich an der Wohnsituation der rund 10.000 Bewohner von Dona Marta wenig geändert. Vor allem im oberen Teil des Viertels überwiegen noch immer verschachtelte Bretterbuden mit Wellblechdächern. Das Abwasser fließt in offenen Gräben den Hang hinunter.

Das Armenviertel bleibt zudem von den besseren Nachbarvierteln weitgehend getrennt. Es wurde sogar eine Mauer am südlichen Rand von Dona Marta hochgezogen. Angeblich aus ökologischen Gründen, bemerkt die 23-jährige Sekretärin der Einwohnervereinigung, Erika Souza: "Die ist genauso überflüssig wie die neuen Überwachungskameras, die sie gerade installiert haben." Die Bewohner würden vor vollendete Tatschen gestellt, beklagt auch Stadtteilaktivist Itamar Silva: "Doch wir wollen mitreden."

epd