Friedenspreis an Claudio Magris verliehen

Friedenspreis an Claudio Magris verliehen
Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ist in der Frankfurter Paulskirche an den italienischen Schriftsteller Claudio Magris (70) verliehen worden. Der Literaturwissenschaftler, Essayist und Romancier habe sich wie kaum ein anderer mit dem Problem des Zusammenlebens verschiedener Kulturen beschäftigt, begründete der Vorsteher des Börsenvereins, Gottfried Honnefelder, die Wahl der Jury. Magris sei ein "streitbarer Gegner von Ausgrenzung und kulturellem Dominanzdenken".

Der in Triest lebende Autor tritt nach den Worten von Honnefelder für ein Europa ein, das sein Selbstverständnis nicht allein aus ökonomischen Gesichtspunkten bezieht, sondern "seine geschichtliche und kulturelle Tradition und Vielfalt bedenkt und darauf beharrt". Die Laudatio auf Magris hielt der Historiker Karl Schlögel von der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder. Der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert.

In seiner Dankesrede warnte Magris vor Gefährdungen des Friedens. Es sei sowohl eine Gefahr, den Krieg für unvermeidlich zu halten, als auch Krieg und Barbarei für abgeschafft zu halten, sagte Magris. Nach 1945 habe ein "Dritter Weltkrieg" stattgefunden, der - von Europa weitgehend unbemerkt - weltweit 20 Millionen Tote gefordert habe. Der Friedenspreis wird seit 1950 alljährlich zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse vergeben. Er ist mit 25.000 Euro dotiert.

Die Europäer säßen angesichts des Elends in südlichen Kontinenten auf einem Vulkan, fuhr Magris fort. Der Strom von Zuwanderern und Flüchtlingen nach Europa könne so anschwellen, dass Auseinandersetzungen unbekannten Ausmaßes bevorstünden. Magris warnte zugleich vor einem neuen Populismus in Europa, der eine Gefahr für Demokratie und Frieden darstelle. In den vergangenen Jahren habe es in Europa hysterische Reaktionen auf Zuwanderer gegeben. Ohne Gerechtigkeit sei aber kein Friede möglich.

Zerissenheit Europas

Der Literaturwissenschaftler und Schriftsteller nannte zudem die "Zerrissenheit Europas" schmerzlich. Nur ein geeintes Europa als Staatenbund könne sich den weltweiten Herausforderungen stellen, sagte Magris. So könne Europa sich öffnen für einen Dialog mit anderen Gesellschaften und Kulturen und zugleich eine Schutzgrenze um wenige unaufgebbare Werte wie die Gleichwertigkeit aller Bürger ziehen.

Der Historiker Karl Schlögel von der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder wies auf die Bedeutung des Geburts- und Lebensortes des Preisträgers hin. Triest in der nordöstlichen Grenzregion Italiens sei für Magris "Mitteleuropa im Kleinen" gewesen. Magris habe in der Interpretation des Auseinanderbrechens des Habsburger Reiches dessen Mythos entzaubert und neu zum Funkeln gebracht sowie den Donauraum als "Mikrokosmos des größeren Europas" beschrieben.

Essayist und Kolumnist

Magris betreute als Professor für Deutsche Sprache und Literatur an der Universität Triest bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2006 die Übersetzung zahlreicher deutschsprachiger Autoren ins Italienische, darunter Joseph Roth, Arthur Schnitzler und Georg Büchner. Als Essayist und Kolumnist der Zeitung "Corriere della Sera" bezieht Magris zu politischen Themen Stellung. Gemeinsam mit Umberto Eco und anderen gründete er 2002 die Vereinigung "Freiheit und Gerechtigkeit", die sich kritisch mit der Politik von Ministerpräsident Silvio Berlusconi auseinandersetzt.

Zu Magris' Veröffentlichungen gehören der Essay "Triest, eine literarische Hauptstadt in Mitteleuropa" (dt. 1987), das Buch "Donau. Biografie eines Flusses" (dt. 1988), "Die Welt en gros und en détail" (dt. 1999), für das er den wichtigsten italienischen Literaturpreis Premio Strega erhielt sowie der Roman "Blindlings" (dt. 2007). In diesem Jahr erschien auf Deutsch sein jüngstes Werk "Ein Nilpferd in Lund", in dem Magris Geschichten versammelt, die er auf seinen Reisen durch Europa erlebt hat.