Hunderttausende protestieren beim Christopher Street Day gegen Diskriminierung

Hunderttausende protestieren beim Christopher Street Day gegen Diskriminierung
Mit schrill-bunten Paraden haben Homosexuelle beim Christopher Street Day in Berlin ein Zeichen gegen Diskriminierung gesetzt. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) beklagte am Samstag, es gebe immer noch Vorurteile und Übergriffe gegen Schwule, Lesben und Transsexuelle.

Allerdings herrsche in Deutschland mittlerweile in fast allen Rechtsbereichen eine Gleichstellung. Nach Ansicht von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ist das "Thema Gleichberechtigung noch nicht vollendet".

###mehr-artikel###

In zwei größeren Paraden zogen nach Angaben der Veranstalter mehrere Hunderttausend Menschen durch die Hauptstadt. Zuvor hatte Schwesig bei einer Gedenkfeier für die in der NS-Zeit verfolgten Homosexuellen eine vollständige Rehabilitierung von Opfern gefordert, die ab 1945 nach dem früheren Paragrafen 175 verurteilt wurden. Dieser belegte seit 1872 jede Art von erotischer Begegnung zwischen Männern mit Strafe. Erst 1969 wurde er entschärft und 1994 endgültig aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Nach 1945 ist es laut Schwesig noch zu 54.000 Verurteilungen gekommen. Sie gelten als vorbestraft.

Die Ministerin sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), sie werde Gespräche mit Justizminister Heiko Maas (SPD) führen, um eine Lösung noch in dieser Legislaturperiode auszuloten. 2002 hatte der Bundestag entschieden, die unter den Nationalsozialisten gefällten Urteile gegen Homosexuelle pauschal aufzuheben. Für die Verurteilten aus der Zeit danach gilt das nicht. Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) betonte, sie werde die Bundesregierung nun beim Wort nehmen. Bislang sehe sie aber in dieser Hinsicht keinerlei Initiativen der großen Koalition.

Homophobie im Alltag

Redner verschiedener Parteien und Gruppen beklagten zudem Homophobie im Alltag. "Das Schimpfwort 'schwule Sau' gehört runter von Schulhöfen und Stadien", kritisierte Schwesig vor Demonstranten. Die frühere Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Renate Künast, gab zu bedenken, dass Schimpfwörter nicht verboten werden könnten. Allerdings könne schon in Schulen aufgezeigt werden, was Vielfalt bedeute und wie wichtig sie sei, unterstrich Künast.

Mit dem Christopher Street Day wird an das erste bekannt gewordene Aufbegehren von Homosexuellen und anderen sexuellen Minderheiten gegen Polizeiwillkür in der New Yorker Christopher Street am 27. Juni 1969 erinnert. Die erste Parade in Berlin fand am 30. Juni 1979 statt. In diesem Jahr gab es neben dem traditionellen einen neuen Umzug. Im Vorfeld hatte es unter den Organisatoren Streit über den künftigen Namen der Parade gegeben. Darauf formierte sich ein Aktionsbündnis, das eine eigene Demonstration auf die Beine stellte. Wowereit appelliert, es müsse wieder einen gemeinsamen Umzug geben.

Station waren die Botschaften von Uganda und Russland

Die gewählte Route der neuen Parade dokumentierte ihren politischen Anspruch: Station waren die Botschaften von Uganda und Russland, Bundesrat und Bundesfinanzministerium. In Uganda gilt seit Februar ein Gesetz, das lebenslange Haftstrafen für Homosexuelle vorsieht. Die USA haben deswegen am Freitag Sanktionen verhängt. In Russland gilt ein Gesetz, das öffentliche Meinungsäußerungen über Homosexualität mit Verweis auf den Schutz Minderjähriger verbietet.

Vor der russischen Botschaft gab es ein lautes Pfeifkonzert der Teilnehmer, deren Zahl die Veranstalter mit 7.000 bis 8.000 angaben. Auf Transparenten war unter anderem zu lesen "Homophobie: wisch und weg", "Dein Blut ist zu schwul - Schwule dürfen seit den 90ern kein Blut mehr Spenden" und "Die SPD auf dem CSD - pure Heuchelei". Die Demonstranten kritisierten ferner, dass es in Deutschland noch keine rechtliche Gleichstellung von Ehe und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gibt.