"Und alle wurden erfüllt vom Heiligen Geist"

Taubendarstellung im Petersdom in Rom
Foto: wikipedia
Eine sonnengelbe Taube, gestaltet vom Barockkünstler Gian Lorenzo Bernini, schwebt im Petersdom in Rom.
"Und alle wurden erfüllt vom Heiligen Geist"
Taube und Feuer sollen das Pfingstwunder symbolisieren
Pfingsten ist für viele das kirchliche Fest, das am schwersten zu erfassen ist: Der Heilige Geist kommt zu den Gläubigen. Schon die frühen Christen haben mit Symbolen versucht, das Unsichtbare begreiflich zu machen.
05.06.2014
epd
Lothar Simmank

Es ist das Pfingstsymbol schlechthin: Eine sonnengelbe Taube strahlt den Besuchern des Petersdoms in Rom entgegen. Der Barockkünstler Gian Lorenzo Bernini schuf das imposante Glasfensterbild über dem Stuhl Petri als Symbol des Heiligen Geistes. Aus einem Bündel von Lichtstrahlen scheint die Taube auf den Betrachter zuzufliegen und macht auf diese Weise sichtbar: Die göttliche Kraft kommt zu den Menschen, so wie sie in der biblischen Pfingstgeschichte 50 Tage nach Ostern die Jünger Jesu erreichte. Als erste Christen sollten sie die Welt verändern. "Sie alle wurden erfüllt von dem Heiligen Geist", heißt es in den biblischen Berichten. 

Darstellungen von Gott-Vater und von seinem Sohn Jesus Christus sind in der christlichen Bildsprache häufig - nur mit der dritten Person der göttlichen Dreieinigkeit, mit dem Heiligen Geist, taten sich Künstler schwer: Wie sollte man auf Wänden, Glas und Stoff etwas zeigen, das von seinem Wesen her körperlos und unsichtbar ist?

Die Taube als Symbol der Erscheinung des Heiligen Geistes bot die Lösung: Schon in der Antike stand dieser Vogel für Sanftmut und Liebe - aufgrund der falschen Annahme, er habe keine Gallenblase und sei daher frei von allem Bitteren und Bösen. In der biblischen Noah-Geschichte bringt eine von drei ausgesandten Tauben einen grünen Ölzweig zur Arche zurück und signalisiert damit Rettung und Neuanfang.

Ein Brausen vom Himmel

Die eigentliche Herleitung der Taube als Symbol für den Heiligen Geist aber kommt aus dem Neuen Testament: Die Evangelisten berichten, dass sich nach der Taufe Jesu im Jordan der Himmel öffnete und der Geist Gottes in Gestalt einer Taube herabkam. Zugleich war die Stimme zu hören: "Dies ist mein lieber Sohn an dem ich Gefallen gefunden habe", wie es bei Matthäus heißt.

In der Barockzeit wurden oft zu Pfingsten lebende Tauben in den Kirchen freigelassen. In anderen Gotteshäusern ließ man eine hölzerne Taube über den Köpfen der Gläubigen durch eine Öffnung in der Kirchendecke herunter, das "Heilig-Geist-Loch". Mit Weihrauch und Gebet empfing die Gemeinde dann das Heilig-Geist-Symbol.

In dem Wunder von Pfingsten, wie die Apostelgeschichte es erzählt, kommen Tauben allerdings überhaupt nicht vor. Hier stehen ganz andere Bilder im Vordergrund: Es wird berichtet, wie die in Jerusalem versammelten Jesus-Anhänger plötzlich ein Brausen vom Himmel erleben, einen gewaltigen Wind, der das ganze Haus erfüllt. Ihre vielen Fragen sind plötzlich wie weggeblasen, sie verstehen auf einmal, was es mit Jesu Tod und Auferstehung auf sich hat und predigen dies in fremden Sprachen, die sie eigentlich gar nicht beherrschen. 

Feuer und Flamme

In der Pfingstgeschichte geht es auch um die Geburtsstunde der Kirche. Der Wind symbolisiert dabei den Geist Gottes, der weht, wo er will. Sichtbarer als der Wind sind aber die Flammenzungen, die sich den biblischen Berichten zufolge auf die Häupter der Männer setzen und die Ausgießung des Heiligen Geistes im Element des Feuers veranschaulichen. Die verzehrende Kraft des Feuers ist wirkungsvoll und wahrnehmbar. Die vor dem Haus versammelte Menschenmenge sieht es und staunt über das Wunder, über die lebendigen Auswirkungen des Geistes, die Petrus in seiner Pfingstpredigt darstellt.

Von den feurigen Zungen ließen sich viele Künstler anregen: Menschen, die "Feuer und Flamme" für etwas sind, die sich "begeistern" lassen, finden sich in diversen Motiven der Kunstgeschichte wieder - vom syrischen Rabula-Evangeliar aus dem 6. Jahrhundert mit Flammenzungen auf den Häuptern der Apostel bis zum farbintensiven Pfingstbild des Expressionisten Emil Nolde. Allen Darstellungen gemeinsam ist die künstlerische Erklärung eines Geheimnisses: So sieht der Heilige Geist aus - es sind die Menschen, die für ihren Glauben brennen.