Filmkritik: "Twenty Feet from Stardom"

Foto: Graham Willoughby
Filmkritik: "Twenty Feet from Stardom"
Die Stimmen im Schatten der Stars: Der mit dem Oscar gekrönte Dokumentarfilm "Twenty Feet from Stardom" porträtiert die Background-Sängerinnen berühmter Rock- und Popstars.
23.04.2014
epd
Kai Mihm

Im Jahr 2002 porträtierte der Dokumentarfilm "Standing in the Shadows of Motown" eine Band von Studiomusikern, die in den 1960er Jahren an zahllosen Welthits des legendären Plattenlabels Motown mitgewirkt hatten. Die Lorbeeren dafür hatten jedoch stets andere eingeheimst. In der Tradition dieses Musikdoku-Klassikers steht "Twenty Feet from Stardom", Morgan Nevilles Hommage an die Background-Sängerinnen berühmter Musiker. Jeder von uns kennt die Stimmen dieser Frauen, die den Liedern von Sting, Bruce Springsteen oder den Rolling Stones oftmals die letzte Würze geben - jenen "groove", der einen guten Song zu einem Ohrwurm macht.

Die Namen und Gesichter dieser Frauen sind jedoch unbekannt: Merry Clayton, Gloria Jones, Claudia Lennear, Táta Vega und Jo Lawry sind seit Jahrzehnten im Geschäft, aber zu Ruhm und Ehre kamen sie nicht. Manche haben nie das Rampenlicht gesucht und sind mit ihrer Rolle im Hintergrund glücklich. Am einen Ende des Spektrums steht Lisa Fischer, die seit 1989 jede Tournee der Stones begleitet, dank ihres Charismas von den Zuschauern bejubelt wird und stets mindestens ein Duett mit Mick Jagger singt. Auf der anderen Seite steht Darlene Love, die in den 60er Jahren zahlreiche Hits für Phil Spector sang, der die Aufnahmen jedoch kurzerhand unter den Namen seiner Star-Sängerinnen vermarktete.

Trotz solcher bitteren Geschichten hat Nevilles Film nichts Larmoyantes. Er zeigt seine Protagonistinnen vor allem als stolze und starke Frauen, die sich mit ihrer Arbeit irgendwo zwischen Kunst und Handwerkertum bewegen. Spannend ist dabei auch die Perspektive der Musiker, für die sie arbeiten. Mancher möchte vor allem leicht bekleidete "Schauwerte" auf der Bühne haben, während etwa der Soul-Maestro Luther Vandross viel Wert auf stimmliche Details legte - vermutlich weil er als ehemaliger Background-Sänger David Bowies nur zu gut um die Wirkung der Stimmen im Hintergrund wusste. Dennoch haftet den lobenden Worten von Sting und Bruce Springsteen für ihre Damen im Hintergrund etwas Pflichtschuldiges an. Am ehrlichsten dürfte Mick Jagger sein, wenn er sagt: "Ich würde mit Singen von 'Uuuhs' und 'Aaahs' nicht mein Geld verdienen wollen."

Bewusstsein der Zuschauer für die Leistungen der Frauen schärfen

Man kann an dem Film kritisieren, dass er die Mechanismen des männlich geprägten Musikbusiness und die politischen Aspekte des Themas zu wenig beleuchtet, immerhin geht es um vorwiegend afroamerikanische Frauen in den bewegten 60er und 70er Jahren. Merry Claytons faszinierende Geschichte über ihren Gesang bei der umstrittenen Südstaaten-Hymne "Sweet Home Alabama" eröffnet da ein Spannungsfeld, das leider kaum ausgeleuchtet wird. Andererseits würde das den Film in eine Richtung lenken, die Neville gar nicht anstrebt. Er will das Bewusstsein der Zuschauer für die Leistungen dieser Frauen schärfen und einer oft übersehenen Zunft ein Denkmal setzen. Und das gelingt ihm auf sehr unterhaltsame und feinfühlige Weise.

USA 2013. Regie: Morgan Neville. Mit Lou Adler, Stephanie Alexander, Patti Austin, Christ Botti, Bowie, Todd Boyd, Ray Charles. Länge: 91 Minuten.