Ikone mit Schönheitsfehlern

Foto: dpa/Tal Cohen
Aung San Suu Kyi reist am Donnerstag nach Berlin.
Ikone mit Schönheitsfehlern
Birmas Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi besucht Deutschland
Im Ausland wird Birmas Friedensnobelpreisträgerin mit Auszeichnungen überhäuft. Dabei leidet inzwischen ihr Image als Fürsprecherin für Freiheit und Menschenrechte. Am Donnerstag wird sie in Berlin von Merkel und Gauck empfangen.
09.04.2014
epd
Nicola Glass

Viele Jahre lang galt Aung San Suu Kyi als Symbol des friedlichen Widerstands gegen die Militärdiktatur in Birma, das die Generäle in Myanmar umbenannten. Doch zuletzt hat das Image der 68-Jährigen in dem südostasiatischen Land Risse bekommen. An diesem Donnerstag wird Suu Kyi von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräsident Joachim Gauck empfangen.

###mehr-artikel### Die Tochter des 1947 ermordeten Unabhängigkeitshelden Aung San geriet eher zufällig in das politische Geschehen ihrer Heimat. Sie hatte in Indien gelebt und im englischen Oxford studiert. Erst 1988 kehrte sie nach Birma zurück, um ihre schwer kranke Mutter zu pflegen. Es war das Jahr, in dem Studenten Massenproteste gegen das Militärregime auf die Beine stellten. Suu Kyi wurde schnell zur Ikone des Widerstands.

Obwohl die Kundgebungen blutig niedergeschlagen wurden, wurde im September 1988 die "Nationale Liga für Demokratie" (NLD) gegründet, sie selbst Vorsitzende. Im Juli 1989 stellten die damaligen Militärs Suu Kyi zum ersten Mal unter Hausarrest. An den Parlamentswahlen 1990, die die NLD mit rund 80 Prozent gewann, durfte sie nicht teilnehmen. Den Wahlsieg erkannten Birmas Generäle nie an. 1991 wurde ihr der Friedensnobelpreis verliehen. Aber die Auszeichnung in Oslo konnten nur ihre Söhne entgegennehmen.

Schweigen zum Konflikt zwischen Buddhisten und Rohinyga

Nach langen bitteren Jahren gab es die ersten Hinweise auf eine demokratische Öffnung in Birma. Doch die Parlamentswahl vom November 2010 boykottierte die NLD wegen der restriktiven Wahlgesetze. Suu Kyi kam erst kurz danach wieder auf freien Fuß. Bis dahin hatte die Oppositionsführerin insgesamt mehr als 15 Jahre unter Hausarrest oder in Haft verbracht.

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Im März 2011 übernahm eine zivile Regierung die Macht, die vor allem aus Ex-Militärs bestand. Präsident Thein Sein, selbst ein ehemaliger General, nannte die Friedensnobelpreisträgerin einmal einen ehrlichen Mann. Er brachte eine Gesetzesänderung auf den Weg, die es Suu Kyi und ihrer Partei ermöglichte, an den Nachwahlen am 1. April 2012 teilzunehmen. Suu Kyi zog ins Parlament ein.

Doch seitdem bekam ihr Image Risse. Suu Kyi gleiche einer kühl kalkulierenden Politikerin, die einzig die Wahl 2015 im Auge habe, sagen Kritiker. Sie werfen ihr vor, keinerlei Partei für die muslimischen Rohingya ergriffen zu haben, die in Birma verfolgt und nicht einmal als ethnische Minderheit anerkannt sind. Auch Suu Kyis Partei schwieg weitgehend zu den von buddhistischen Nationalisten und militärischen Hardlinern geschürten Konflikten zwischen Buddhisten und Rohinyga im westlichen Rakhine-Staat.

Während einer Europareise im Juni 2012, auf der Suu Kyi in Oslo ihre verspätete Dankesrede für den Friedensnobelpreis hielt, antwortete sie auf die Frage, ob die Rohingya Staatsbürger in Birma werden sollten, nur: "Ich weiß nicht." Will Suu Kyi die mehrheitlich buddhistische Wählerschaft nicht verstimmen?

Sympathien für Birmas Armee

Zurückhaltend äußert sich die Friedensnobelpreisträgerin auch zum Konflikt mit Rebellen der Kachin-Minderheit im Norden Birmas. Dem Militär werden Mord, Folter, Vergewaltigungen und Vertreibungen vorgeworfen. "Suu Kyi muss die Kriegsverbrechen ansprechen und das Militär kritisieren, sonst werden ihr die Kachin nicht trauen", fordert eine Kachin-Aktivistin. Auch andere schimpfen über die Opposition. Der prominente Hkun Htun Oo von der Shan-Minderheit monierte, die Regierung habe Suu Kyi "neutralisiert".

###mehr-links### Mit hochgezogenen Augenbrauen quittierten Kritiker denn auch Suu Kyis Äußerung, dass sie Birmas Armee trotz aller Gräueltaten sehr möge. Auch dies dürfte Kalkül sein: Die umstrittene Verfassung von 2008 verbietet ihr bislang die Präsidentschaft, weil sie mit einem Ausländer verheiratet war, dem 1999 gestorbenen britischen Tibetologen Michael Aris, und Söhne mit anderer Nationalität hat. Ohne das Militär ist das Grundgesetz nicht zu ändern, denn 25 Prozent der Sitze sind für die Armee reserviert, die ein Vetorecht hat.