Gethsemane als universelles Sinnbild

Foto: Landkreis Oberhavel
"Christus in Gethsemane", Holzschnitt, um 1938.
Gethsemane als universelles Sinnbild
Bildhauer Groß wird in einer Ausstellung in Oranienburg geehrt
Der Kopf der knieenden hölzernen Figur, brutal nach hinten gedrückt, versinkt fast in der Schulter des Mannes, sein Kinn ist trotzig vorgestreckt, der Mund so zusammengepresst, das man meint, die in Schmerz und Anstrengung aufeinander mahlenden Zähne zu sehen. Es ist Christus im Gebetskampf vor seiner Verhaftung im Garten Gethsemane, zu sehen derzeit in einer Ausstellung im Schloss Oranienburg bei Berlin, die dem Künstler Wilhelm Groß gewidmet ist. Groß hat die Figur 1922 als Mahnmal für die Opfer des Ersten Weltkrieges für die Berliner Gethsemane-Kirche geschaffen.
09.03.2014
epd
Gunnar Lammert-Türk

Er war damals 39 Jahre alt und als Bildhauer anerkannt und beachtet. Seine künstlerische und musische Begabung hatte sich früh gezeigt. Vom pommerschen Schlawe ging er nach Berlin in eine Bildhauerlehre und nahm wenig später ein Kunststudium in Karlsruhe auf. Wegen Geldmangel musste er es abbrechen, kam aber mit Hilfe eines Stipendiums wieder nach Berlin, traf sich im "Café des Westens" mit Dichtern, Regisseuren und Malern, verkehrte mit Max Beckmann und Max Liebermann, der sein Talent erkannte und ihn an den jüdischen Sammler und Mäzen Eduard Arnhold vermittelte.

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Für zwei Bronzeskulpturen erhielt er auf der Kunstausstellung des Deutschen Künstlerbundes in Dresden 1908 den "Villa Romana" Preis, der ihm einen längeren Aufenthalt in Florenz ermöglichte, wo er mit Ernst Barlach zusammentraf. Nach zwei Jahren kehrte er zunächst nach Pommern zurück und zog Anfang 1913 nach Berlin - ein gut gestellter und geschätzter Bildhauer.

Dann gibt es einen Bruch: Die Schrecken des Ersten Weltkriegs treffen den sensiblen Künstler hart. "Dem Menschen sind alle bisher scheinbar ganz feststehenden Stützen genommen", schreibt er. In dieser Erschütterung hat er eine Art Bekehrungserlebnis. Wie seine Frau Frieda später erzählte, habe er beim Improvisieren auf dem Klavier eine Art mystische Erfahrung gemacht, eine überwältigende innere Freude verspürt, die ihm die Gewissheit der Anwesenheit Gottes gegeben habe.

Wilhelm Ernst Julius Groß (* 12. Januar 1883 in Schlawe in Hinterpommern; † 9. Februar 1974 in Oranienburg-Eden bei Berlin) war ein deutscher Bildhauer, Druckgraphiker und evangelischer Prediger.Wilhelm Groß, Porträtfoto, Otto Kurt Vogelsang, Berlin, 1933

Nach dem Krieg hatte sich seine Ausdrucksform deutlich verändert. Hatte er bisher, wenn auch schon vom Expressionismus beeinflusst, formschöne, eher naturalistische Skulpturen geschaffen, deren Oberfläche glatt und geschmeidig war, so zeigten die Figuren nun in viel stärkerem Maß eine seelische Anspannung, die körperlich-figürliche Darstellung wurde zum Ausdruck innerer Kämpfe, Sehnsüchte und Nöte. Das Material, nun nahezu durchgängig Holz, wurde nicht mehr geglättet, es blieb rau und zeigte die Spuren des Meißels.

Und von nun an galten seine Arbeiten fast ausnahmslos Figuren und Episoden aus der Bibel. Das Ringen Jesu mit seiner Verlassenheit und Todesangst wurde ein universelles Motiv für das Ringen des Menschen um Gott und sich selbst. Das wurde offenkundig auch in nichtkirchlichen Kreisen verstanden. Eine Gethsemane-Skulpturengruppe sorgte 1933 in der Akademie der Künste für viel Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Doch die Nazis hatten Groß schon im Blick.

Groß, der aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen wurde und Ausstellungsverbot erhielt, hielt sich mit Aufträgen für die Bekennende Kirche über Wasser, in der er und seine Frau Mitglied waren. Der seit 1919 in Eden bei Oranienburg lebende Groß kannte den Sachsenhausener Pfarrer Kurt Scharf, mit dem er auch auf der Bekenntnissynode der Bekennenden Kirche in Barmen war.

Künstler der Bekennenden Kirche

Groß wurde nun zum Künstler der Bekennenden Kirche. Unter anderem gestaltete er die Kapelle ihres Predigerseminars in Finkenwalde, schuf aber vor allem eine Reihe eindrucksvoller Skulpturen, die den Kampf der Bekennenden Kirche in der NS-Zeit ebenso vorstellen wie den Überlebenskampf des Christentums überhaupt in dieser Zeit. Groß war in den Jahren der NS-Herrschaft künstlerisch ausgesprochen produktiv. Auch als geistlicher Mahner und Tröster trat er in Erscheinung. In seinem Atelierhaus in Eden, auch "Strohkirche" nach seiner Dacheindeckung genannt, hielt der Laienprediger Groß zahlreiche Andachten, Gottesdienste und Bibelstunden.

Nach dem Krieg ordinierte ihn die Bekennende Kirche im August 1945 zum Prediger, und Groß war fortan als Pfarrer in Sachsenhausen und umliegenden Orten und als  Krankenhausseelsorger in Ost-Berlin tätig. Noch vor Gründung der DDR wurde er in einer Ausstellung zusammen mit Werken von Käthe Kollwitz und Ernst Barlach gewürdigt. Ansonsten beschränkte sich sein Wirken auch jetzt wesentlich auf den kirchlichen Raum. Das hatte viel mit seinem kritischen Verhältnis zur Politik der DDR zu tun.

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In dem Jahr, in dem die DDR sich mit der Grenzbefestigung abschottete, schuf Groß seine letzte plastische Arbeit - eine Mosesfigur mit den Gesetzestafeln. Bis zu seinem Tod 1974 lebte und arbeitete er in Eden bei Oranienburg, wo sein Atelierhaus heute noch steht. In Oranienburg ist er auch begraben. Eine Straße trägt seinen Namen, ansonsten ist er weithin vergessen.

Seinen Weg und seine Arbeiten dokumentiert nun die Ausstellung im Oranienburger Schloss, die bis 2. November zu sehen ist.