Der Nikolaus und seine schwarzen Helfer

Foto: dpa/Evert Elzinga
Der Nikolaus und seine schwarzen Helfer
In den Niederlanden wird der Nikolaus nicht von Knecht Ruprecht, sondern von schwarz angemalten Helfern begleitet. Kritiker erinnert der Zwarte Piet an die Sklavenzeit, Befürworter verteidigen das Kinderfest als Tradition.
06.12.2013
epd
Benjamin Dürr

Am Kai drängen sich Zehntausende Menschen, bunt verkleidete Kinder, die auf die Ankunft des Nikolaus warten. Es riecht nach gebrannten Mandeln, Musik spielt. Ende November, so der Brauch in den Niederlanden, kommt Sinterklaas aus Spanien. Mit einem Dampfschiff, gefolgt von einem Zweimaster und vielen kleinen Booten, fuhr er dieses Jahr in Groningen ein. Mit ihm auf dem Schiff sind die Zwarte Pieten (schwarze Peter), seine dunkelhäutigen Helfer.

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In der Nacht zum Nikolaustag helfen sie, die Geschenke zu bringen. In diesem Jahr sorgt die niederländische Tradition weltweit für Schlagzeilen: Kritiker sagen, die Helfer des Nikolaus' erinnerten an Sklaven. Befürworter finden, es handle sich um ein harmloses Kinderfest. Inzwischen geht es nicht mehr nur um dunkelhäutige Sinterklaas-Begleiter - sondern um die Frage, ob durch eine solche Darstellung alltäglicher Rassismus gefördert wird.

Sinterklaas spaltet das Land. Seit Jahren wird über das Fest diskutiert, aber noch nie waren die Reaktionen so emotional wie in diesem Jahr. Eine Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen hatte sogar eine Untersuchung zur Frage angekündigt, ob es sich bei den Schwarzen Pieten um eine rassistische Tradition handelt.

Mehrheit will den Zwarte Piet behalten

Der Brauch sei eine Rückkehr zur Sklaverei, sagte Verene Shepherd in einem Interview. Die jamaikanische Forscherin leitet eine Arbeitsgruppe des UN-Menschenrechtsrats. Shepherd - selbst dunkelhäutig - findet, die Tradition passe nicht mehr ins 21. Jahrhundert. "Wäre ich Niederländerin, würde ich als Dunkelhäutige mich durch die Darstellung der Figuren verletzt fühlen", sagt sie.

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Auch Niederländer protestieren: In Amsterdam demonstrierten bei der Einfahrt von Sinterklaas mehrere hundert Menschen. Quinsy Gario, ein Künstler aus Amsterdam, kämpft seit Jahren gegen den Brauch und reichte bereits Klage beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof ein. Schwarze würden als klein, dumm und als Knechte dargestellt, argumentiert er.

Den Demonstranten gegenüber stehen aber zehntausende Menschen, die Sinterklaas auch jetzt wie jedes Jahr feiern. Eine "Pietitie" auf Facebook für den Erhalt der Pieten findet bei mehr als zwei Millionen Niederländern Gefallen - in einem Land mit nur 17 Millionen Einwohnern. Hingegen findet die Aktion "Zwarte Piet is racisme" (Schwarzer Piet ist Rassismus) nur bei knapp 14.000 Menschen Anklang.

Für die Befürworter ist Sinterklaas ein harmloses Kinderfest. "Das einzig echte Niederländische", sagt eine junge Frau in Groningen. "Wenn das abgeschafft wird, haben wir gar keine eigene Tradition mehr." Die Figur des Schwarzen Piet soll zum ersten Mal im 19. Jahrhundert aufgetaucht sein. Manche Historiker sagen, es handle sich dabei um äthiopische Sklaven des Nikolaus'. Andere argumentieren, Sankt Nikolaus, der Bischof von Myra, habe Sklaven gerade freigekauft. Für andere Befürworter sind die Pieten deshalb schwarz, weil sie in der Nacht zum 6. Dezember durch den Schornstein kriechen, um den Kindern die Geschenke zu bringen.

Blau oder rot statt schwarz

Die Vereinten Nationen haben inzwischen wissen lassen, dass es keine Untersuchung gibt. Shepherd sei eine unabhängige Expertin, die ihren eigenen Standpunkt vertrete und nicht für die UN spreche. Die Gemüter kühlt das aber kaum: Gegen Künstler Gario und andere Kritiker soll es Todesdrohungen gegeben haben. Das Internet ist voll von Hass-Botschaften.

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Der Streit um die schwarzen Nikolaus-Begleiter wirft Fragen zu Toleranz allgemein und alltäglichem Rassismus auf. Zufällig als die Debatte um Sinterklaas begann, veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International einen Bericht, wonach die Polizei in den Niederlanden in großem Stil "ethnic profiling" betreibe: Personen würden allein aufgrund ihres Aussehens kontrolliert, weil sie Marokkaner oder Osteuropäer seien.

Doch es gibt Veränderung - zumindest bei der Nikolaus-Tradition: Die Schwarzen Pieten tragen in diesem Jahr zum ersten Mal keine goldenen Ohrringe mehr. Ein Schiedsgericht in Amsterdam hatte diesen Kompromiss zwischen Verbot und Erhalt der Figuren gefunden. Manche Kinder schminken ihre Gesichter auch nicht mehr schwarz, sondern blau oder rot. Der Zwarte Piet wird langsam bunt.