Theologe Jähnichen: Bibel nur bedingt Maßstab für heutige Familie

Theologe Jähnichen: Bibel nur bedingt Maßstab für heutige Familie
Die Bibel ist nach Ansicht des Bochumer Theologieprofessors Traugott Jähnichen nur eingeschränkt ein Maßstab für heutige Familienmodelle. Alleinerziehende, unverheiratete Paare und Homosexuelle seien Begriffe, die "die Bibel so schlicht nicht kennt", sagte Jähnichen dem Evangelischen Pressedienst (epd).
20.11.2013
epd
Holger Spierig

Auch die bürgerliche Kleinfamilie lasse sich biblisch nicht begründen. Hintergrund für Jähnichens Aussagen ist die Debatte um das Familienpapier der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Konservative Protestanten und Katholiken hatten kritisiert, der im Sommer vorgelegte Text entwerte die traditionelle Ehe zwischen Mann und Frau.

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Die Familie sei in der Bibel nicht "das heilige Zentrum der ganzen Lebensführung", betonte der evangelische Professor für Christliche Gesellschaftslehre an der Ruhr-Universität Bochum. Die Auffassung, dass die Familie heilig und "das Ein und Alles" sei, werde durch die Jesus-Bewegung relativiert, in der Menschen nach den Überlieferungen des Neuen Testaments ihre Familie und ihren Beruf verließen, um Jesus nachzufolgen.

Jähnichen wies darauf hin, dass die monogame Ehe die einzige Lebensform sei, die Jesus ausdrücklich positiv gewürdigt habe. Dafür gebe es im Neuen Testament eine deutliche Priorität. Das bedeute aber nicht, dass damit Anderes notwendig abgewertet werden müsse.

Die soziale Struktur der Hausgemeinschaft

Ganz und gar biblischem Denken entspreche auch, dass sich die Familie für andere Menschen öffnet, sagte Jähnichen. So sei die antike Familie von großfamiliären Strukturen geprägt gewesen. In der Sozialstruktur der Antike habe im Haus ("Oikos") in der Regel ein Ehepaar mit Kindern, aber auch mit anderen Leuten zusammengelebt, die dort gearbeitet hätten.

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Dass die aktuelle Diskussion über den Familienbegriff vielfach emotional geführt wird, führt Jähnichen darauf zurück, dass jeder Mensch in Familienkonstellationen lebt und daher leicht seinen Lebensentwurf und seine Identität herabgesetzt sieht: "Je nachdem, wie sich Kirche positioniert, fühlen sich Menschen in ihrer Lebensform infrage gestellt oder angegriffen", sagte der Theologe, der auch Mitglied der westfälischen Kirchenleitung ist.

Wo die Kirche eher die traditionelle Familie in den Mittelpunkt gestellt habe, fühlten sich ehelos lebende, homosexuelle und alleinerziehende Menschen an den Rand gedrängt. Durch das umstrittene Familienpapier EKD sähen sich nun traditionell in der Ehe lebende Menschen "ein Stück weit infrage gestellt und nicht gewürdigt".