Traumjob zur Heiligabend-Primetime

Foto: epd-bild/Alasdair Jardine
Betriebsversammlung der Weihnachtsmänner und Engel am Freitag in Bremen
Traumjob zur Heiligabend-Primetime
Die Rute ist tabu, das goldene Buch schon gut gefüllt mit den Wünschen der Kinder: Für Weihnachtsmänner beginnt jetzt die Saison. Irdische Agenturen übernehmen dabei wichtige Aufgaben.
16.11.2013
epd
Dieter Sell

Der rote Rock berührt fast den Boden. Dazu trägt er einen wallenden Bart, einen Sack, ein goldenes Buch, einen breiten Gürtel und derbe schwarze Stiefel. Mit seinem tiefen Bass und 110 Kilo Festtagsgewicht ist Karl Dressel ein Weihnachtsmann, wie er im Buche steht. Mit 1,90 Metern Körpergröße sticht er aus der Gruppe seiner Kollegen hervor, die sich am Freitag zur "Betriebsversammlung" der Weihnachtsmänner im Bremer Rathaus versammelt.

###mehr-info###

Gemeinsam mit ein paar Engeln eröffnen sie die neue Saison. "Ich werde gebraucht", freut sich der 64-Jährige auf seine Einsätze im Advent und zu Weihnachten.

Längst hat Dressel Buchungen von Stammkunden in seinem Terminkalender vermerkt. Der Schlitten hat noch TÜV, die Rentiere scharren mit den Hufen. Nun müssen noch die "Neuen" eingewiesen und Lebkuchen verkostet werden. Die Bremer Agentur für Arbeit hat dafür die Betriebsversammlung organisiert und vermittelt wie in den Jahren zuvor Weihnachtsmänner an Familien, die sich eine Bescherung ohne den Rotrock gar nicht vorstellen können. "Für einen etwa 20-minütigen Einsatz gibt es 35 Euro, im Umland fünf Euro mehr", sagt Agentur-Sprecher Jörg Nowag.

Zwölf Einsätze am Stück: "Nur fröhliche Leute"

Es sind nicht eben viele Arbeitsagenturen in Deutschland, die ähnlich wie in Bremen Weihnachtsmänner vermitteln. Der Norden ist stark vertreten mit Flensburg, Lübeck und Heide. Auch im Osten gibt es Anlaufstellen etwa in Dresden, Cottbus und Altenburg-Gera. Ansonsten ist der Service vielerorts eingestellt worden. Der Aufwand ist groß, die Agenturen stehen betriebswirtschaftlich unter Druck. Und natürlich ist auch Qualität gefragt. "Man darf bei den Kindern keine Antwort schuldig bleiben", verrät Dressel, für den der Einsatz an Heiligabend ein Traumjob ist: "Man trifft nur fröhliche Leute."

###mhr-links###

Mittlerweile gibt es etliche private oder studentische Angebote, die in die Lücke der Arbeitsagenturen stoßen und Weihnachtsmänner makeln. Bundesweit unumstrittener "Marktführer" ist der "Heinzelmännchen"-Service des Berliner Studentenwerkes, der nach eigenen Angaben jährlich zwischen 300 und 500 Weihnachtsmänner und Engel für bis zu 5000 Bescherungen vermittelt. "Da können pro Kopf zwischen 500 und 600 Euro Verdienst zusammenkommen", sagt Berlins "Oberweihnachtsmann" Stephan Antczack.

In der Heiligabend-"Primetime" zwischen 15 Uhr und 20 Uhr kommen die Weihnachtsmänner schon mal auf zwölf oder mehr Familien-Einsätze. Um diese Zahlen überhaupt wuppen zu können, haben die Berliner wie auch die Bremer eine Hotline geschaltet, über die Familien das weihnachtliche Personal buchen können.

Eine gewisse Blockflötentoleranz

Klar ist: Wer bescheren will, braucht Schlüsselqualifikationen. "Die Statur und Ruhe sind wichtig, er sollte die wichtigsten Weihnachtslieder und -gedichte kennen und gut mit Kindern umgehen können", erläutert Nowag vom Bremer "Pressebüro des Weihnachtsmannes" das Anforderungsprofil.

###mehr-links###

Auch eine gewisse "Blockflötentoleranz" sei von Vorteil, ergänzt der Berliner Antczack, der überdies von einem "Ehrenkodex" spricht, um die Rauschebart-Magie zu erhalten. Das betrifft vor allem die Ausrüstung. "Wer bei uns mit blauem Müllsack beschert, wird rausgeschmissen." Und ansonsten? "Kein Alkohol, nicht rauchen, nicht essen", fasst Antczack zusammen.

Mit dem goldenen Buch werde eben kein Sündenregister aufgeblättert. Das sei ganz zentral, bekräftigt der Bremer Dressel nach mittlerweile 25-jähriger Weihnachtsmannpraxis, die ihn zuweilen unter seinem plüschigen Rock ganz schön ins Schwitzen gebracht hat. "Leviten lesen kommt nicht infrage. Was die Eltern an 364 Tagen im Jahr nicht schaffen, will ich den Kindern nicht an einem Tag aufs Brot schmieren." Vielleicht schaut er auch deshalb so oft in strahlende Kinderaugen: "Ich kriege so viel zurück. Da zehrt man lange von."