Roma-Zentralrat verurteilt Medienberichte über Kindesraub

Roma-Zentralrat verurteilt Medienberichte über Kindesraub
Nach Berichten über mutmaßlich verschleppte Kinder, die bei Roma-Familien gefunden wurden, äußert der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma scharfe Kritik an den Medien. "Eine ganze Minderheit wurde an den Pranger gestellt", sagte der Vorsitzende des
Zentralrates, Romani Rose, am Dienstag (5. November) in Berlin.

Er sei tief besorgt über die aktuelle Entwicklung, fügte Rose hinzu. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, nannte die Vorverurteilung von Roma als Kindsräuber "schockierend".

Romani Rose bezog sich mit seiner Kritik vor allem auf Polizeiaktionen in Griechenland und Irland und die Berichterstattung darüber. Blonde Kinder waren aus den Roma-Familien weggeholt und die Familien der Kindesentführung beschuldigt worden. Dies habe eine Stigmatisierung der Minderheit verursacht, sagte Rose.

###mehr-artikel### Der Vorurteilsforscher und ehemalige Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung in Berlin, Wolfgang Benz, erklärte, gegenwärtig erblühten alte Vorurteile gegen die größte europäische Minderheit zu neuem Leben. Es sei wieder von "Zigeunern" die Rede, obwohl der Begriff keine Selbstbezeichnung sei, sondern Sinti und Roma kränke.

Benz zog Parallelen zum Antisemitismus. Er sagte, früher hätten die Leute auch den Juden unterstellt, sie raubten Kinder, um sie zu opfern. Heute käme niemand mehr auf die Idee, solche Gedanken zu äußern. Aber wenn Roma-Eltern ein blondes Kind hätten, heiße es, sie hätten das Kind geraubt. Überfremdungsängste aktivierten offenbar alte Feindbilder, sagte Benz.

Kirchen sollen sich gegen Fremdenfeindlichkeit positionieren

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Graumann, sicherte den Sinti und Roma angesichts der "pauschalen Diffamierungen" die Solidarität der jüdischen Gemeinschaft zu. Graumann sagte, für ihn sei "erschreckend und schockierend, wie schnell im Falle der blonden Roma-Kinder vielfach geurteilt und vorschnell vorverurteilt wurde". Die Vorurteile säßen offenbar sehr tief, sagte er. Roma und Sinti gehörten noch immer zu der am stärksten diskriminierten Volksgruppe in Europa.

###mehr-links### Der Antisemitismus- und Vorurteilsforscher Benz rief auch die Kirchen auf, sich deutlich gegen die Fremdenfeindlichkeit zu positionieren. 90 Prozent der Sinti und Roma in Deutschland seien katholisch, zehn Prozent Protestanten. Insbesondere die katholische Kirche müsse sich um ihre Gläubigen unter den Sinti und Roma kümmern, sagte Benz.

Der Zentralratsvorsitzende Rose appellierte an die kommende Bundesregierung, eine Kommission einzusetzen, die sich mit den Feindlichkeiten gegenüber den Roma auseinandersetzt. Rose zufolge hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einem Treffen zum Thema nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen bereits zugestimmt.