Die "Generation Internet" und ihre Kinder

Vater und Sohn mit Tablet
Foto: Getty Images/iStockphoto/Nadezhda1906
Neue Medien in Familien: "Früher war es der Kassettenrekorder, der die Gute-Nacht-Geschichte abspielte, heute ist es das Tablet."
Die "Generation Internet" und ihre Kinder
In einer Hand das Smartphone, in der anderen die Babyrassel - Medien beherrschen auch in jungen Familien zunehmend den Alltag. Den Kindern schadet das nicht zwangsläufig, urteilen Experten.
27.10.2013
epd
Hanna Jochum

Wenn Lena ihre ersten Schritte macht, hält ihre Mutter den besonderen Moment mit einer Handykamera fest. Auf dem Spielplatz tobt die Kleine auf dem Klettergerüst, während die Nanny im Netz surft. Und die allabendliche Gute-Nacht-Geschichte kommt nicht mehr aus dem Märchenbuch, sondern vom Ipad, das dann auch sogleich als Nachttischlampe fungiert. Angesichts solcher Szenarien rümpft manch einer die Nase und meint: Smartphones, Tablets und das Internet haben in der Nähe von Kindern nichts zu suchen. "Von wegen", befinden Experten.

Neue Medien seien mittlerweile Teil der Gesellschaft, sagt Christine Feil, Kindermedienexpertin beim Deutschen Jugendinstitut (DJI) in München. "Bei Büchern hieß es im 19. Jahrhundert: Das ist nichts für Kinder. Lesen verdirbt. Und dann ist ein ganzer Kinderbuchmarkt entstanden", vergleicht sie die Entwicklung. Zunächst einmal mache es für Kinder, die auf einem Spielplatz herumtollten, keinen Unterschied, ob sich ihre Mütter unterhielten oder etwa mit dem Handy beschäftigten.

Früher der Kassettenrekorder, heute das Tablet

Was auch häufig vergessen werde: "Wenn die Mutter beispielsweise während des Stillens Fernsehen schaut, ist ziemlich sicher, dass das Kind mithört. Wenn die Mutter beim Stillen aber auf dem Handy rumdaddelt, bekommt das Kind viel weniger mit", urteilt Feil. Kritisch werde es erst, wenn Eltern ihre Kinder aufgrund ihrer ausgeprägten Mediennutzung weniger beachteten.

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Internet, Handy und Co. führten allerdings nur im Extremfall dazu, dass Eltern ihre Kinder vernachlässigten, sagt der Vorsitzende des Kinderschutzbunds in Bayern, Ekkehard Mutschler. "Aber wenn sich ein Elternteil mehr mit dem Medium als mit dem Kind auseinandersetzt, hat das natürlich Auswirkungen. Das Kind fühlt sich zurückgesetzt und ist eifersüchtig."

Prinzipiell sei eine ausgeprägte Beschäftigung mit Medien kein neues Phänomen. "Früher war es der Kassettenrekorder, der die Gute-Nacht-Geschichte abspielte, heute ist es das Tablet", kommentiert Mutschler. Mehr noch: Eltern sollten ihren Nachwuchs möglichst früh an Medien heranführen und sie bis ins Teenageralter im Umgang - etwa mit dem Internet - begleiten, fordert er. "Das ist heute eine Schlüsselqualifikation: lesen, rechnen, Medien."

Eltern sind Vorbilder

Aber manchmal geht es dann doch über die normale Mediennutzung hinaus: Ein Prozent der Deutschen zwischen 14 und 65 Jahren ist internetsüchtig, meist nach Online-Spielen oder sozialen Netzwerken, belegt eine Studie der Universität Lübeck. Das sind etwa 560.000 Menschen.

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Ein Smartphone gehöre nicht in die Hände von Kleinkindern, warnt Mutschler. "Ein Kind hat auch im Netz nichts zu suchen, solange es nicht richtig lesen und schreiben kann." Eltern hätten hier eine Vorbildfunktion. Sie sollten sich darüber bewusst sein, dass der Nachwuchs sich an ihrem Verhalten orientiere und Vorgelebtes nachahme. "Kinder, die mit Vätern fahren, die im Auto nur fluchen, fluchen später selbst", veranschaulicht er.

Die Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg bestätigt den Zusammenhang zwischen der Medienbindung der Eltern und der Kinder. "Wenn beispielsweise die Eltern angeben, dass sie am wenigsten auf PC und Internet verzichten könnten, ist dies auch häufiger bei Kindern der Fall", erläutert Ulrike Karg von der Abteilung Medienkompetenz Programm Forschung. Dies lasse sich für alle Medien feststellen - im übrigen auch für Bücher.

Der Inhalt zählt, nicht das Medium

Für Kleinkinder selbst seien Fernsehen und Bilderbücher die wichtigsten Medien, sagt Karg. Tablets hingegen spielten nur eine untergeordnete Rolle, wie die Studie MiniKIM 2012 des medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest zeige.

Von wenigen Ausnahmen abgesehen scheinen die negativen Auswirkungen des digitalen Zeitalters auf Kinder also nur ein Schreckgespenst zu sein. Eines vermisst DJI-Mitarbeiterin Feil in der Debatte allerdings: "Gefragt wird: Hat das Kind ein Handy, anstatt zu fragen: Was macht das Kind mit dem Handy? Genauso kann ein Kind den größten Mist lesen, Hauptsache das Kind liest", kritisiert sie. Erst einmal komme es auf den Inhalt an, nicht auf das Medium.