Lieberknecht: "Kein Koalitionsvertrag ohne Mindestlohn"

Foto: © epd-bild / Frank Sommariva/Frank Sommariva
Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU).
Lieberknecht: "Kein Koalitionsvertrag ohne Mindestlohn"
Das Thema Mindestlohn gilt für die Berliner Koalitionsverhandlungen als gesetzt. Ohne eine Aussage dazu werde es keine Vereinbarung über eine neue Bundesregierung geben, sagt die Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Erfurt. Die CDU-Politikerin verweist auf das "Thüringer Modell", das die von ihr geführte Koalition vor einem Jahr in den Bundesrat eingebracht hat und als Vorbild für den Bund dienen könne.
10.10.2013
epd
Thomas Bickelhaupt und Thomas Schiller

Welche Rolle spielt das Thema Mindestlohn für eine künftige CDU-geführte Bundesregierung?

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Christine Lieberknecht: Es wird keine Koalitionsvereinbarung ohne eine Aussage zum Mindestlohn geben. Davon bin ich fest überzeugt.

Die von Ihnen geführte große Koalition in Thüringen hatte vor einem Jahr bereits im Bundesrat eine Initiative eingebracht, die aber bis zu den Wahlen keinen Eingang mehr in die Bundesgesetzgebung gefunden hat. Dieses Modell sah eine von den Tarifpartnern paritätisch besetzte Kommission unter dem Dach des Arbeitsministeriums vor. Hat Ihr Vorschlag Chancen für eine große Koalition im Bund?

Lieberknecht: Ich sehe das Thüringer Modell, das wir schon einmal zwischen CDU und SPD ausgehandelt haben, als den tragfähigen Kompromiss an. Es folgt dem britischen Vorbild der "Low Pay Commission". Vertreter des Arbeitnehmerlagers und der Unternehmer sitzen darin in gleicher Zahl und entscheiden in eigener Hoheit nach Kriterien von sozialer Sicherheit und von Wirtschaftlichkeit.

"Es darf nicht egal sein, ob man arbeiten geht oder nicht"

Sollte eine solche "Low Pay Commission" schon die erste Untergrenze aushandeln, oder sollte diese Basis von der Politik festgelegt werden? Die SPD fordert ein politisch gesetztes Minimum von 8,50 Euro, das von einer solchen Kommission weiterentwickelt wird.

Lieberknecht: Darin unterscheiden wir uns fundamental von der SPD. Ich halte es für verkehrt, eine politische Festlegung zu treffen. Wir sind dafür nicht die Fachleute.

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Anders gefragt: Wie viel Geld muss man denn pro Stunde bekommen, um von einer Vollzeitbeschäftigung ohne staatliche Zuschüsse leben zu können?

Lieberknecht: Diese Frage ist in unterschiedlichen Regionen Deutschlands unterschiedlich zu beantworten. Die Grenze muss jedenfalls über dem Existenzminimum liegen, weil es nicht egal sein darf, ob man arbeiten geht oder nicht. Ich kann und will da aber keine Zahl nennen.

Im Thüringer Modell war von einem bundeseinheitlichen Mindestlohn die Rede. Sie argumentieren nun mit regional unterschiedlichen Lebenshaltungskosten.

Lieberknecht: Es geht um ein generelles Minimum. Ich will, dass Mindestlöhne nicht nach Regionen festgelegt werden, sondern dass an der unteren Grenze eine Einheitlichkeit eingezogen wird. Dass man nach oben spreizen kann, ist klar, um den Erfordernissen in Städten wie München, Frankfurt oder Hamburg gerecht zu werden.

"Eine solche Ost-West-Debatte will ich nicht führen"

Warum keine Differenzierung nach alten und neuen Ländern?

Lieberknecht: Auch im Westen gibt es preiswertere Gegenden wie das Emsland, während man in einigen Thüringer Städten wie Jena inzwischen Mieten wie im Westen bezahlt. Die Unterschiede verlaufen nicht mehr entlang der früheren innerdeutschen Grenze. Eine solche Ost-West-Debatte will ich nicht führen.

Glauben Sie, dass es ein bundesweit einheitlicher Mindestlohn auf Akzeptanz in der Wirtschaft stößt?

Lieberknecht: Es gibt Branchen, die das zeigen - etwa das Dachdeckerhandwerk. Da liegt der Mindestlohn bei 11,20 Euro. Das funktioniert in kleinen Betrieben mit zwei oder drei Mitarbeitern ebenso wie in Großbetrieben mit über 100 Leuten. Der Vizepräsident des deutschen Handwerks und Präsident des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks, Karl-Heinz Schneider, hat das durchgesetzt. Und der kommt aus Weimar in Thüringen.