Marc Forster: "Wir verhalten uns wie Zombies"

Szenenbild aus "World War Z" mit Brad Pitt
Foto: Paramount Pictures/Jaap Buitendijk
Szenenbild aus "World War Z" mit Produzent und Hauptdarsteller Brad Pitt.
Marc Forster: "Wir verhalten uns wie Zombies"
Regisseur Marc Forster im Interview mit "epd-Film" über seinen neuen Film "World War Z". In dem Film bricht auf der Erde eine Pandemie aus und die Menschen mutieren massenweise zu Zombies. Hauptdarsteller Gerry Lane (Brad Pitt) hat die Aufgabe, ein Gegenmittel gegen das Zombie-Virus zu finden und hat dafür noch 90 Tage Zeit. Zugleich muss Gerry seine Familie retten.

Zombiefilme sind seit den siebziger Jahren ein eigenständiges Genre. Worin liegt für Sie das Faszinierende dieser Filmgattung?

Marc Forster: Die siebziger Jahre, in denen die ersten Zombiefilme entstanden, waren eine Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs, und die Filme von George Romero haben etwa auf metaphorischer Ebene eine deutliche Kritik an der damaligen Konsumgesellschaft formuliert. Heute leben wir wieder in einer Zeit, in der sich schwerwiegende Änderungen anbahnen. Und viele Menschen haben, auf die Wirtschaft oder die Umwelt bezogen, Angst vor der Zukunft.

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In diesen Momenten entstehen solche Filme, weil die Zuschauer sich mit den Ängsten, die dort verhandelt werden, identifizieren können. Als ich den Roman "World War Z" von Max Brooks gelesen habe, fühlte sich das, was er beschreibt, sehr real an. Mir war es wichtig, auch den Film so realistisch zu inszenieren, um dem Publikum zu einer größtmöglichen Identifikation zu verhelfen.

Wo genau berührt Ihr Film die Probleme der Gegenwart?

Forster: Ich habe das Gefühl, dass wir uns gegenüber unserer Umwelt immer mehr wie Zombies verhalten. Unser Bewusstsein wird zunehmend eingeschränkt. Wir beschäftigen uns länger mit unseren elektronischen Geräten als mit unseren Mitmenschen. Wir kommunizieren kaum noch direkt miteinander und gehen zueinander auf Distanz. Ein anderer Aspekt ist das Thema Überbevölkerung: Im Jahr 2015 werden zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben. Die Ressourcen werden immer knapper werden, und schließlich wird es einen Punkt des Umschlags geben. Das reflektiert die Szene, in der die Zombies die Mauern von Jerusalem stürmen, indem sie wie Ameisen übereinanderstürzen. Diese Bilder stehen dafür, wie wir Menschen nach den letzten Ressourcen gieren und uns dabei gegenseitig überrennen, ohne uns um den Nächsten zu kümmern.

Das ist eine der eindrucksvollsten Szenen im Film. Woher kommt die Idee zu diesen Bildern?

Forster: Ich habe mich als Kind viel mit der Tierwelt beschäftigt und mich dabei besonders für die Schwarmtheorie interessiert. Ich habe die Schwärme von Fischen und Vögeln studiert, und das wollte ich schon immer einmal filmisch ins Bild setzen.

"Die Menschen wollen im Kino zuerst einmal gut unterhalten werden"

In den letzten Jahren haben Filme wie Dark Knight in ihren Fantasywelten zunehmend auch die soziale Gegenwart mitverhandelt. Warum braucht es ein fantastisches Setting, um im Kino über gesellschaftliche Themen zu sprechen?

Forster: In einem realistischen Film würde es den Leuten schwerer fallen, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Die Menschen wollen im Kino zuerst einmal gut unterhalten werden, weil sie sich ja schon jeden Tag mit dieser Realität auseinandersetzen müssen. Solche fantastischen Welten geben ihnen die Möglichkeit, ihrer Wirklichkeit zu entfliehen. "World War Z" ist ja auch in erster Linie ein Popcorn-Movie und kein Dokumentarfilm über den Ausbruch eines Virus.

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War "World War Z" für Sie logistisch noch einmal eine größere Herausforderung als der Bond-Film "Ein Quantum Trost"?

Forster: Die Budgets waren etwa gleich groß. Bei "Ein Quantum Trost" gab es mehr Drehorte. Dafür musste ich in "World War Z" mit Tausenden von Statisten arbeiten. Das war schon sehr ermüdend. Da sehnt man sich nach einer einfachen Szene an einem Küchentisch, an dem zwei Leute beim Abendessen miteinander reden.

Sie haben nun einige Independentfilme und zwei große Studioproduktionen gedreht. Was liegt Ihnen mehr?

Forster: Es hat beides seine Vor- und Nachteile. Bei Independentfilmen habe ich, was den Final Cut angeht, die alleinige Kontrolle, während man bei Studioproduktionen sehr viel mehr verhandeln muss. Bei dem Bond-Film hatte ich immer nur mit der Produzentin Barbara Broccoli zu tun. Aber bei "World War Z" musste ich mich mit dem Studio und mit Brad Pitt als Produzenten auseinandersetzen. Deshalb war es mir auch sehr wichtig, dass ich mein Konzept vorab ausführlich vorstellen konnte und die wichtigsten Szenen prävisualisiert hatte. Ich wollte sicher sein, dass wir den gleichen Film machen.

"Ich finde es seltsam, dass über den Tod kaum geredet wird"

Dennoch mussten einige Szenen nachgedreht werden…

Forster: Ich habe im Schnittraum festgestellt, dass mir das Ende nicht gefiel. Ich wollte nicht wie in vielen anderen Blockbustern das Finale noch lauter und größer veranstalten, sondern eine ruhigere, reflektivere und emotionalere Schlusswendung. Das habe ich dem Studio und den Produzenten mitgeteilt und die haben mir grünes Licht gegeben. In dem ursprünglichen Finale kulminierten in Russland die Auseinandersetzungen mit den Zombies noch einmal. Das alternative Ende, das jetzt im Film zu sehen ist, spielt in einem Labor in Schottland und wurde in einem viel kleineren Maßstab gedreht. Dieses Ende passt sehr viel besser zum Film - und zu mir.

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Sie arbeiten in vollkommen verschiedenen Genres. Gibt es dennoch etwas Verbindendes in Ihren Filmen?

Forster: Es gibt Regisseure wie Hitchcock, die sich einem Genre verschreiben und das dann perfektionieren. Ich fühle mich Filmemachern wie Billy Wilder näher, die das Genre immer wieder wechseln. All meine Filme, gleich in welchem Genre, bewegen sich emotional immer auf einer sehr reellen Basis und viele davon beschäftigen sich mit dem Thema Sterblichkeit.

Woher kommt diese thematische Präferenz?

Forster: Ich habe viele Menschen in der Familie und im engsten Freundeskreis verloren. Dadurch sind in mir gewisse Ängste entstanden, mit denen ich mich auseinandersetzen musste. Ich finde es seltsam, dass wir in einer Welt leben, in der über den Tod kaum geredet wird, obwohl wir alle früher oder später damit konfrontiert werden. Aber das heißt nicht, dass ich eine negative Sicht auf das Leben habe. Im Gegenteil: Ich bin ein sehr optimistischer Mensch, und das sieht man ja auch in meinen Filmen, in denen es am Ende immer einen Schimmer der Hoffnung gibt.

"Brad Pitt hat sich nie total verkauft"

Im Gegensatz zu den aufdringlichen Heldentypen, die die Kinoleinwand so zahlreich bevölkern, spielt Brad Pitt den Weltenretter sehr zurückhaltend...

Forster: Alle meine Hauptfiguren verhalten sich eher zurückhaltend. Das gilt für Daniel Craig in "Ein Quantum Trost" ebenso wie für Will Ferrell in "Stranger Than Fiction". George sollte ein Alltagsmensch sein, mit dem man sich gut identifizieren kann und der dann wider Willen zum Helden wird.

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Worin liegen Ihrer Meinung nach die besonderen Starqualitäten von Brad Pitt?

Forster: Die meisten Stars in seiner Kategorie drehen hauptsächlich Blockbuster. Aber Brad Pitt hat außer "Troja" und nun "World War Z" hauptsächlich kleinere Produktionen und Kunstfilme wie "Tree of Life" gemacht. Brad Pitt hat sich nie total verkauft, und dadurch hat er sich etwas Geheimnisvolles bewahrt.

Das Interview mit Marc Forster lesen Sie auch im Heft epd-Film, Ausgabe 7/13. Der Film "World War Z" startet am 27. Juni in deutschen Kinos.