"Junge Menschen sollen gestärkt und ermutigt werden"

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"Die Schüler können ihre Lernzeit eigenverantwortlich gestalten", erklärt Schulleiterin Anke Bachmann aus Neuruppin.
"Junge Menschen sollen gestärkt und ermutigt werden"
Unter dem Motto "Mit jedem Kind, das dir begegnet, ertappst du Gott auf frischer Tat" trafen sich rund 300 Lehrende und Kirchenvertreter zum 5. Bundeskongress Evangelische Schulen in Berlin. Konfessionelle Bildungsangebote erfreuen sich gerade im Osten steigender Beliebtheit, aber längst nicht alle Politiker sind von der Notwendigkeit christlicher Lehr- und Lernhäuser neben staatlichen Schulen überzeugt.

Rund 1200 evangelische Schulen mit mehr als 170.000 Lernenden stellen mittlerweile einen wichtigen pädagogischen Faktor in Deutschland dar. Die Nachfrage nach konfessionellen Schulen ist ungebremst. Besonders in den ostdeutschen Ländern gab es einen regelrechten Gründungsboom, Zeichen eines gewissen Nachholbedarfs nach dem Ende der DDR. Evangelische Schulen sind damit Teil einer demokratischen Bildungskultur.

"Wir haben mit unseren Schulen in freier Trägerschaft eine Form von Schulwesen, die neben den staatlichen Schulen von den Müttern und Vätern des Grundgesetzes gewollt ist. Gerade vor dem Hintergrund der Erfahrung des Nationalsozialismus wollte man Eltern und Kindern die Möglichkeit geben, Schulen auszusuchen, die unterschiedliche Wahlmöglichkeiten eröffnen", erklärt EKD-Oberkirchenrätin Birgit Sendler-Koschel.

Unterscheidung zwischen Person und Leistung

Der Run auf konfessionelle Privatschulen sei allerdings weniger religiös, als vielmehr pädagogisch zu erklären. Die Eltern wünschen sich für ihre Kinder  eine gute Bildung, die auf Grund des unverwechselbaren Profils gerade in christlichen Grundschulen bis hin zu Gymnasien zu finden sei. "Wir wollen im evangelischen Schulwesen nicht Elite fördern, sondern wir wollen Kinder und Jugendliche fördern und jedem Kind helfen, seine Gaben zu entdecken und zu entwickeln. Wir sind stolz darauf, aber wir sehen uns da nicht in Konkurrenz zum Staat, sondern in Ergänzung", sagt die bei der EKD für Bildung zuständige Theologin.

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Es habe eben Auswirkungen, wenn Pädagogen wie aber auch Eltern und Schüler sich am christlichen Menschenbild orientierten. Es geht davon aus, dass jeder Mensch eine unverlierbare Würde hat. dass bei der Rückmeldung an die Jugendlichen zwischen der Person und ihrer Leistung oder Verhalten unterschieden wird. "Junge Menschen sollen eben nicht gekränkt, sondern gestärkt und ermutigt werden, in dem was sie jetzt schon können und noch hoffen", sagt Sendler-Koschel.

Nicht umsonst hat etwa das 1993 gegründete Evangelische Gymnasium Neuruppin, das Schüler, Lehrer und Eltern nur liebevoll "evi" nennen, jüngst den mit 100.000 Euro dotierten Deutschen Schulpreis gewonnen. Rund 70 Prozent der Schüler stammen aus einem christlichen Elternhaus, aber man stehe grundsätzlich für alle Interessierten offen.

Rituale und Freiräume zum Lernen

"Wir sehen uns von Klasse 1 bis 12 als ein Haus des Lernens. Die Schüler können ihre Lernzeit eigenverantwortlich gestalten. Wichtig sind uns Rituale wie Morgenandachten. Probleme etwa in der Pubertät werden nicht verdrängt, sondern gemeinsam thematisiert", verrät Schulleiterin Anke Bachmann ihr Erfolgsrezept. Man suche Freiräume, indem man etwa auf 80-Minuten-Unterrichtseinheiten umgestellt hat. Wichtig sei eben auch der Projektunterricht.

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Außerdem sei auch der außerschulische Unterricht wichtig. "Wir kooperieren etwa mit der örtlichen Kreismusikschule. Jeder Schüler soll möglichst ein Instrument lernen. Wir versuchen auch mit anderen staatlichen Schulen etwa im Oberstufenbereich zusammenzuarbeiten", sagt Bachmann.

Allerdings begrüßen nicht alle Politiker die christlichen Angebote. Als Schulen in freier Trägerschaft haben konfessionelle Privatschulen ein Recht auf auskömmliche Finanzierung durch den Staat. Gerade in Brandenburg schlägt den Evangelischen aber derzeit ein kalter Wind entgegen, hat doch das Bildungsministerium jüngst drastische Mittelkürzungen von bundesweit einmalig bis zu 30 Prozent angekündigt.

"Landespolitiker begreifen manchmal den Standortvorteil nicht"

"Das ist existenzbedrohend. Damit verbunden ist auch eine Deckelung des freien Schulsystems, als habe man nun genug evangelische Schulen im Land. Das ist eine Verarmung des Bildungsangebotes", warnt Frank Olie, Vorstandsvorsitzender der Schulstiftung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Daher sei eine Verfassungsbeschwerde eingereicht worden. Denn auch in Brandenburg ist das Interesse an christlichen Privatschulen weiterhin groß. Zum Beispiel wurde jetzt aus einer ökumenischen Initiative heraus ein Gymnasium in Cottbus neu gegründet.

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"Landespolitiker begreifen manchmal nicht, dass eine christliche Schule immer auch ein Standortvorteil ist. Zumindest in den Kommunen und in den Landkreisen wird das meist schneller begriffen. Wenn Menschen sich in Regionen ansiedeln, dann ist für sie ein wichtiges Kriterium, wo die eigenen Kinder zur Schule gehen können", erklärt Olie.

Man sehe sich aber trotz sinkender Schülerzahlen vor allem auf dem Land nicht in Konkurrenz zu staatlichen Schulen. Nicht selten ergebe sich die Situation, dass eine längst geschlossene staatliche Schule konfessionell wiederbelebt werde. In Wriezen an der polnischen Grenze etwa hat die Neugründung des aufgegebenen Gymnasiums als evangelische Schule zu einer Aufwertung der ganzen Region beigetragen. Insofern, erklärt Olie, seien konfessionelle Schulen ein nicht unwichtiger Kulturfaktor in einer Region.