"Wir trocknen noch. Aber wir machen weiter"

Hochwasser in Sachsen - Grimma
Foto: dpa/Hendrik Schmidt
Die Freiwillige Feuerwehr beseitigt nach dem Hochwasser der Mulde Schlamm vom Marktplatz in Grimma (Sachsen).
"Wir trocknen noch. Aber wir machen weiter"
Im sächsischen Grimma an der Mulde hängt nach dem Hochwasser viel von den Geschäftsleuten ab: Kommt wieder Leben in die Altstadt? Oder lässt die zweite Flut Lähmung und Leerstand zurück?
10.06.2013
epd
Bettina Markmeyer

Der Eibeck hört auf, heißt es in Grimma. Kein gutes Zeichen. Der Eibeck, das sind Peter Eibeck und seine Frau Brigitte. Seit 30 Jahren haben sie ein Eiscafé, das über die Stadtgrenzen hinaus bekannt ist. In ihrem Laden hat das Wasser wieder über zwei Meter hoch gestanden. Jetzt ist alles herausgerissen, der Wandschmuck, die Klotüren, die Kältetechnik. Überall Nässe. Helfer und Angestellte schieben das Dreckwasser auf die Straße. Das ganze Haus vibriert vor Energie und Tatkraft. Aufhören?

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Ja, sagt Peter Eibeck. Wenige Stunden bevor das Wasser kam, hatte er noch Eis gemacht. Sechs Tage in der Woche stehen sie im Geschäft, es lief gut. Und nun ist alles wieder wie 2002, als die erste Flut Grimmas Innenstadt verwüstete. "Aber jetzt sind wir elf Jahre älter. Und wir wissen, was auf uns zukommt", sagt Eibeck. Einen Kredit können sie nicht noch mal aufnehmen. Drei Fragen seien entscheidend: Wie hoch ist der Schaden? Wie viel Geld gibt der Staat? Und "dass beim Hochwasserschutz was passiert", sagt Eibeck: "Sonst können wir das Geld gleich in die Mulde schmeißen."

"Grimma bleibt Grimma. Wir bleiben hier"

Grimma soll eine Schutzmauer bekommen. Der Streit darum hat den Bau um Jahre verzögert. Der Immobilienhändler Roger Nündel fürchtet, "dass die Preise für Häuser und Geschäfte in den Keller rauschen". Erst wenn der Hochwasserschutz funktioniert, könne es wieder bergauf gehen, meint er. Sicher ist er nicht: "Das sind Spekulationen."

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Vor dem Bioladen stehen verschlammte Gummistiefel. Ein Dank an die Helfer ist auf die Scheiben geschrieben und: "Wir trocknen noch. Aber wir machen weiter." Vor der Frauenkirche steht ein Plakat mit Fotos von stadtbekannten Geschäften und der Parole: "Grimma bleibt Grimma. Wir bleiben hier." Eine Initiative der Stadtverwaltung.

An die hundert Gewerbetreibende gibt es in der Altstadt. In der Verwaltung überlegt man, Container als Not-Geschäfte auf dem Marktplatz aufzustellen. Die Stadt zahlt 1.500 Euro Soforthilfe an Unternehmen. Infrastrukturhilfen kommen vom Land, aber womit der Einzelne rechnen könne, sei noch nicht klar, sagt Stadtsprecherin Marlen Rabold.

Grimma ist nur eine Katastrophe von vielen

Am anderen Ende der Stadt steht Ulf Weiland in seinem Sport- und Outdoorladen. Er ist verschwitzt. Helfer schlagen den Fußboden in Stücke und ziehen die Fußbodenheizung heraus. Die Dämmung ist nass. Vor dem zerstörten Schaufenster steht ein randvoller Container. "Mit gesundem Menschenverstand kann man das Risiko eigentlich nicht noch einmal eingehen", sagt Weiland.

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Es sind jetzt die Tage, in denen selbst bei den Tatkräftigsten die Zweifel hochsteigen wie vor einer Woche das Wasser an ihren Häusern. Noch riecht es nach Schlamm, aber die Straßen sind saubergewaschen, und die Müllcontainer werden aus der Stadt gefahren. Nun müssen Entscheidungen fallen. Wieder von vorn anfangen? Keiner weiß, wann das nächste Hochwasser kommt.

Die erste "Jahrhundertflut" setzte in Grimma 750 Häuser unter Wasser, fast 50 wurden zerstört. Die Stadt beziffert den damaligen Schaden auf rund 250 Millionen Euro. Heute ist das Stadtgebiet größer, Dörfer sind hinzugekommen, auch sie standen unter Wasser, rund 650 Grundstücke und Gebäude. Oberbürgermeister Matthias Berger (parteilos) geht von 200 Millionen Euro Schaden aus. Und Grimma ist nur eine Katastrophe von vielen. Diesmal sind ganze Landstriche in den Fluten versunken. Passau, Deggendorf, Magdeburg. Die Bundesregierung hat bisher 100 Millionen Euro Soforthilfe zugesagt.

Im Eiscafé ist der Sommer gelaufen

Die Geschäftsleute in ihren ausgeweideten Läden warten jetzt auf die Schadensgutachter. "Aber eigentlich warten wir alle auf die Kanzlerin", meint Weiland: "Wenn der Staat uns nicht genauso großzügig hilft wie den Griechen, schaffen wir das nicht." Er habe schon nach dem ersten Hochwasser nie wieder den Umsatz erreicht, den er davor hatte. Aber die Altstadt lebte wieder auf - trotz Einkaufszentrum am Stadtrand, trotz Internet-Handel, trotz der Abwanderung aus den Dörfern und Städtchen rundum. Schaffen sie das noch einmal?

Ulf Weiland will mit seiner geretteten Ware einstweilen in einen leerstehenden Laden im Einkaufszentrum ausweichen. Die Eibecks vom anderen Ende der Altstadt können das nicht. Zwar haben sie die Eismaschine gerettet, aber die Kältetechnik ist zerstört. Erst wenn alles repariert ist, könnten sie wieder Eis machen. "Der Sommer ist gelaufen", sagen sie.