Die Zuschuss-Rente ist sicher!

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Was passiert mit der Rente? Immer mehr Senioren droht die Altersarmut - und für die kommenden Generationen sieht es nicht viel besser aus.
Die Zuschuss-Rente ist sicher!
An einer Zuschussrente führt wohl kein Weg vorbei, meint Gerhard Wegner, Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD. Ein steuerfinanzierter Zuschuss ist aus seiner Sicht der bessere, weil gerechtere Weg. Doch wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass so viele Menschen nicht mehr von ihren Renten leben können? Die Ursachen liegen in politischen Fehlern und veränderten Berufsbiographien.
14.09.2012
Gerhard Wegner

In den Einzelheiten gibt es zwischen den Entwürfen zur Stärkung der Alterssicherung von Ursula von der Leyen und denen der SPD gewiss große Unterschiede. Aber im Kern sind sich die großen Parteien einig. Es muss etwas gegen Altersarmut getan werden und dies kann nur darin bestehen, die zu erwartenden niedrigen Renten durch Zuschüsse (aus der Rentenkasse selbst oder aus Steuermitteln) aufzustocken. Geschieht dies nicht, werden große Zahlen von Rentnern schon bald von Armut betroffen sein.

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Die Zuschussrente wird also mit großer Wahrscheinlichkeit kommen. Wenn nicht Gerechtigkeitsargumente, so sorgt dafür schon die Angewiesenheit der großen Parteien auf die Wählerstimmen der immer zahlreicher werdenden Rentner.

Diese Entwicklung, wie immer sie auch im Einzelnen aussehen wird, ist das Eingeständnis der Politik, in der Vergangenheit einiges falsch gemacht zu haben. Denn die Sicherung vor Altersarmut war einmal ein Erfolgsmodell deutscher Sozialpolitik. Noch heute liegen die aktuellen Armutsraten der Älteren unter denen der Gesamtbevölkerung – was es in keinem anderen OECD-Land gibt – aber diese Situation wird sich jetzt schnell ändern. Wie es dazu gekommen?

Nur noch Armutsvermeidung

Nach einem Höhepunkt der Rentenentwicklung Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre wurde das Rentenniveau kontinuierlich herunter gefahren. Anlass dafür waren vor allem die demographischen Prognosen. Nicht mehr die Erzielung eines möglichst hohen Rentenniveaus als Lebensstandardsicherung, sondern die Reduzierung des Rentenbeitragssatzes wurde nun zum Fokus der Politik. Das Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz 2004 setzte dieses Ziel um, in dem die Rentenanpassungsformel nun um einen Nachhaltigkeitsfaktor ergänzt wurde.

Tatsächlich gehen die Prognosen dahin, dass die Höhe der Rente die der Durchschnittsverdiener nach 45 Arbeitsjahren erhält, gemessen am jeweiligen Durchschnittseinkommen in 2025 45,2 Prozent betragen wird (2011 noch 50,8 Prozent). Sinkt das Rentenniveau weiter bis auf 43 Prozent, dann reicht selbst ein Mindestlohn von um die 10 Euro nicht aus, um trotz langjähriger Vollzeitarbeit eine Rente oberhalb des Grundsicherungsniveaus zu erreichen. Die neuen Berechnungen aus dem Hause von der Leyen belegen dieses Risiko drastisch.

Wenn diese Situation tatsächlich eintreten sollte, wäre es zu einer völligen Abkehr von den Zielen der großen Rentenreform von 1957 gekommen. Die Rentenversicherung diente dann faktisch zum größten Teil bestenfalls nur noch der Armutsvermeidung und hätte jeden Zusammenhang mit einer auch nur halbwegs angemessenen Lebensstandardsicherung verloren. Im Grunde genommen wäre das ganze System wieder bei der alten bismarckschen Sozialversicherungskonzeption angekommen: Jeder und jede muss dann auf anderem Wege seine jeweilige Situation im Alter zu stabilisieren trachten.

Brüche in den Berufsbiografien

Gesehen werden muss allerdings auch, dass nicht alle Rentner allein auf die gesetzliche Rente angewiesen sind. Viele können sich zudem auf Betriebsrenten und private Absicherung stützen oder verfügen auch über privates Vermögen, vor allem in Form von Immobilien oder ergänzenden Versicherungen verschiedener Art (Riesterrente etc.). Für die große Mehrheit der Bevölkerung stellt die gesetzliche Rentenversicherung allerdings nach wie vor den zentralen Pfeiler ihrer Alterssicherung dar. Viele Menschen sind auch gar nicht in der Lage ergänzende Alterssicherungen aufzubauen, da sie lange Zeiten in prekären oder immer wieder unterbrochenen Beschäftigungsbedingungen verbringen.

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Deswegen ist neben der demographischen Entwicklung für die Weiterentwicklung der Renten die Beschäftigungssituation, die sich ein Leben lang aufbaut, von großer Bedeutung. In früheren Zeiten eines weit verbreiteten "Normalarbeitsverhältnisses" ohne große Unterbrechungen, prekäre Beschäftigungen oder lange Zeiten der Arbeitslosigkeit, war auch das Rentensystem relativ stabil.

Die Situation hat sich aber seit den 80er Jahren erkennbar geändert. Die Lebensläufe weisen nun bei großen Teilen der Bevölkerung erhebliche Brüche auf, so dass die notwendigen kontinuierlichen Einzahlungen in die Rentenversicherung zur Aufrechterhaltung des eigenen Lebensstandards nicht mehr bei allen Menschen erreicht werden. Wie groß das Ausmaß dieser Brüche tatsächlich ist, lässt sich nur schwer abschätzen. Aber klar ist, dass längere Ausbildungszeiten, Arbeitslosigkeiten und prekäre Beschäftigungsverhältnisse zu niedrigeren Rentenzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung führen.

Klar ist, dass der Zuschuss kommen wird

Renten aus privater Vorsorge sind bisher im unteren Einkommensbereich von keiner bedeutenden Relevanz. Gesehen werden muss an dieser Stelle auch, dass bisher eine zusätzlich mühsam angesparte Riesterrente im Fall von Grundsicherung im Alter angerechnet wird und nicht mehr zur Auszahlung gelangt. Bei längeren prekären Beschäftigungs- oder Arbeitslosigkeitssituationen lohnt sich solch eine Versicherung für die Beteiligten bisher folglich nicht. Dies soll sich nun allerdings endlich durch die neuen Vorschläge ändern.

Schließlich wird es auch in Zukunft so sein, dass die Stabilität der Renteneinkünfte auf die jeweils Beschäftigten angewiesen bleibt. Solange in diesem Bereich über Deregulierungen im Arbeitsrecht und in der Arbeitsmarktpolitik das normale Normalarbeitsverhältnis immer weiter aufgeweicht wird, ist auch mit negativen Auswirkungen auf die Stabilität der Rentenbeiträge zu rechnen. Wer Menschen auch im Alter gut absichern will, der muss über die gesamte Lebenszeit für eine teilhabergerechte Gesellschaft sorgen.

Klar ist folglich, dass der Zuschuss kommen wird. Aber aus welcher Kasse? Nimmt man ihn aus der Rentenkasse selbst, so entsteht ein Gerechtigkeitsproblem. Denn dies würde faktisch bedeuten, dass der prekäre Beschäftigungssektor nicht mehr durch das Aufstockerverfahren nach Hartz IV sondern auch noch zusätzlich durch die Beitragszahler der Rentenversicherung subventioniert werden würde. Auch stellen sich an dieser Lösung Fragen der Generationengerechtigkeit. Deswegen ist ein steuerfinanzierter Zuschuss der bessere Weg.