Fluthilfe hinter Gittern

Foto: dpa/Jens Wolf
Sandsäcke füllen ist derzeit überall nötig (wie hier in Halle/Saale). In Torgau schippen Strafgefangene den Sand in die Säcke.
Fluthilfe hinter Gittern
An unzähligen Orten in ganz Sachsen haben sich Freiwillige gemeldet, um Sandsäcke zu packen und die Deiche zu verstärken. Doch auch fernab der Öffentlichkeit wird geschuftet - wie in der Justizvollzugsanstalt Torgau bei Leipzig.
05.06.2013
epd
Stephanie Höppner

Unermüdlich schippt er mit einem Abwasserrohr in den Sandberg, lässt die Körnchen anschließend in den Sack rieseln, um dann wieder anzusetzen. Zwischendurch wischt er sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. An den Händen sieht man blutige Schwielen. "Normal", kommentiert der junge Mann, der seinen Namen nicht nennen möchte, seine Blessuren. Genauso wie die anderen Helfer trägt er an diesem Nachmittag blaue Hosen und ein weißes Hemd - so sieht es die Kleiderordnung in der Justizvollzugsanstalt Torgau bei Leipzig vor. Rund 360 Männer verbüßen hier ihre Haftstrafe - vom Dieb bis zum Mörder.

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Seit Dienstagvormittag werden hier, hinter meterhohen Mauern und Stacheldraht, die Säcke für die Deiche in Torgau befüllt. Der Hafen ist gefährdet. Rund 12.000 Säcke sind es bereits, sagt ein Justizvollzugsbeamter, der die Arbeit beaufsichtigt. Viele Zehntausend mehr sollen es bis Samstag noch werden. Laufend werden die Laster beladen und die Ladungen abtransportiert. Es ist nicht das erste Mal, dass die Justizvollzugsanstalt Torgau mithilft. Auch bei dem Jahrhunderthochwasser 2002 wurden hier Säcke befüllt. Rund 35.000 kamen damals zusammen, berichtet ein Justizbeamter.

Gemeinsam die Flut überwinden

Bereits vergangene Woche hatte das sächsische Justizministerium die Anstalt um Hilfe gebeten. "Das ist eine Aufgabe, der wir sehr gerne nachkommen", sagt Anstaltsleiter Karl-Heinz Herden. "Um uns ist zwar eine Mauer, aber wir gehören zur Region und wollen damit unsere Zugehörigkeit demonstrieren." Auch in der Jugendstrafanstalt Regis-Breitingen bei Leipzig wird gegen das Ansteigen der Elbe angekämpft, die Jugendlichen wurden für die Aufräumarbeiten eingeteilt.

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Fast alle Helfer haben sich freiwillig gemeldet und ihre Ausbildung oder den Job unterbrochen, um mit anpacken zu können. Viele sind auch selbst betroffen: Sie kommen aus der Umgebung und haben Freunde und Familie, die ebenfalls gegen das steigende Nass kämpfen müssen. Auch über Fernseher und Radio haben sie von der Not der Menschen erfahren. "Doch auch die Ausländer sind voll dabei", lobt ein Beamter eine Gruppe arabischstämmiger Insassen.

"Jetzt in der Krise entsteht ein richtiger Zusammenhalt", sagt Anstaltsleiter Herden. "Manche erkennt man gar nicht mehr wieder, wenn das immer so wäre, wäre das schön." In den kommenden Tagen könnten noch weitere Aufgaben auf das Gefängnis zukommen. Ein Gut aus der Region muss eventuell seine Kühe auf dem Gelände unterbringen. Auch für einige Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalt werden bereits die Betten hergerichtet, für den Fall, dass sie nicht mehr in ihre Wohnungen zurückkehren können.

Für die Häftlinge geht es derweil weiter. Einzeln oder Grüppchen wird Sandsack um Sandsack befüllt. Mit dem Gabelstapler werden die fertigen Säcke in den Lastwagen gehoben. Manche der Männer haben sich in der prallen Sonne das Hemd ausgezogen, schippen mit nacktem Oberkörper.  "Wir sind Knackis, aber wir können damit zeigen, dass wir keine schlechten Menschen sind", sagt ein junger Mann.