Seelsorger: "Es ist so wichtig, dass keiner allein bleibt!"

Foto: epd/Carola Fritzsche
Bis Donnerstag wird in Dresden mit einem Pegelstand von etwa neun Metern gerechnet. Die Bewohner versuchen, die historische Altstadt mit Sandsäcken zu schützen.
Seelsorger: "Es ist so wichtig, dass keiner allein bleibt!"
Den Menschen in Dresden steht das Schlimmste noch bevor: Die Scheitelwelle des Elbe-Hochwassers wird erst für Donnerstag erwartet. Haus- und Geschäftsbesitzer sind gezwungen, die Katastrophe einfach abzuwarten. Der Notfallseelsorger Hans-Christoph Werneburg hört den Menschen zu und versucht, sie zu ermutigen.
04.06.2013
evangelisch.de

Wie ist die Situation momentan in Dresden?

Hans-Christoph Werneburg: In Dresden ist die Elbe randvoll und es sind auch schon betroffene Gebiete weiträumig evakuiert worden, es stehen schon Häuser im Wasser. ###mehr-personen###Viele Menschen haben sich gut darauf vorbereiten können, weil die Erfahrung vor elf Jahren schon einmal gemacht haben. Zum großen Teil haben sie ihr Eigentum wegtransportieren oder in die höheren Geschosse bringen können. Zurzeit ist noch alles ganz ruhig, es wird ja für morgen und übermorgen die richtig große Welle, der Höchstwasserstand erwartet.

Kann man sich seelisch darauf vorbereiten, dass das Schlimmste erst noch kommt?

Werneburg: Was heißt vorbereiten? Viele haben das ja vor elf Jahren miterlebt, und jetzt kommen natürlich die alten Erinnerungen wieder hoch. Die Menschen wissen, was es bedeutet, von einer so großen Wasserwelle erfasst zu werden, was es für Schäden verursacht und welche seelischen Traumata es weckt. Deswegen ist es schwierig, sich darauf vorzubereiten. Die Leute können es ja jetzt nur abwarten. Und in Erwartungen eines unabwendbaren Unglücks zu leben, da zugucken zu müssen, das ist natürlich wirklich schwierig. Sie können ja wirklich nichts machen! Das ist das Problem.

Haben Sie konkrete Ratschläge für Hausbesitzer – jetzt, in dieser Situation?

Werneburg: Ach, was will ich raten? Ich kann ihnen nur wünschen, dass sie die innere und die äußere Kraft behalten und dass sie mit gutem Mut nach vorne gucken. Und dass sie sich gegenseitig stützen, das finde ich wichtig - dass die Familien jetzt zusammenstehen. Es gibt eine große Solidarität, das ist wirklich bewegend. ###mehr-artikel###Zum Beispiel hat die Stadt ganz viele Notquartiere offen gehalten – Schulen, Turnhallen und so – aber bis jetzt ist das wenig genutzt worden, weil die Menschen alle privat untergekommen sind. Freunde oder Nachbarn oder gute Kollegen haben gesagt: "Kommt zu uns." Das ist eine schöne Sache, so etwas zu erleben – dass es in allem Unglück so eine Solidarität gibt. Und es gibt Hilfsangebote von überall. Leute rufen bei mir an und fragen: "Wo können wir helfen, wo können wir den Leuten beistehen, wo können wir hingehen?" Es ist so wichtig, dass keiner allein bleibt, sondern dass die Menschen zusammen stehen und das miteinander tragen.

Was können Sie als Seelsorger momentan für die Menschen tun?

Werneburg: Ich kann eigentlich nur ein Ohr oder eine Klagemauer sein, wo sie ihre Traurigkeit, auch ihre Wut und ihren Zorn aussprechen können. Das muss sich einfach jemand anhören und ihren Schmerz mit ihnen teilen. Ich selbst bin ja nicht betroffen, von da her bin ich in einer sicheren Position. Aber es geht mir schon sehr nah, weil ich das ja schon vor elf Jahren erlebt habe. Ich weiß, was es jetzt für die Menschen bedeutet und welche großen Schmerzen es ihnen bereitet, welche Traurigkeiten es weckt, welche Verzweiflung dabei ist. Das tut mir schon weh als Seelsorger. Ich kann eigentlich nur trösten und Mut machen und ihnen beistehen und Netzwerke knüpfen, damit andere ihnen beistehen und ihnen helfen nach ihren Kräften - auch wenn man jetzt gar nicht viel machen kann.

Wie gehen Sie mit dieser "Klagemauer"- Rolle um? Können Sie den Schmerz auch wieder irgendwo abladen?

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Werneburg: Ja, ich kann das wieder abladen, aber ich kann auch damit umgehen. Das ist ja meine Arbeit. Ich rede mit Kollegen darüber und ich weiß auch, dass wir untereinander getragen sind. Es gibt ganz viele Kollegen aus anderen Bundesländern und Landeskirchen, die bei mir anrufen und sagen: "Ich wünsch dir viel Kraft für alles, was du jetzt da machen musst. Ich wünsche euch viel Kraft - natürlich allen, die betroffen sind." Es tut ja gut, dass da so eine Solidarität ist, dass die Leute aneinander denken und füreinander beten. Das ist schon wichtig. Das stärkt.