Kongo: Angst unter den Plastikplanen

Flüchtlinge im Lager Mugunga.
Foto: epd/Andreas Herzau
Flüchtlinge im Lager Mugunga.
Kongo: Angst unter den Plastikplanen
Im Ostkongo flammt die Gewalt neu auf: Rebellen wollen vor der Ankunft weiterer UN-Truppen Stärke demonstrieren. Unzählige Menschen sind auf der Flucht - wieder einmal. Selbst in den Flüchtlingslagern ist es nicht mehr sicher.
01.06.2013
epd
Silvia Vogt

Als Furaha vor 15 Jahren geboren wurde, hofften die Eltern auf eine friedliche Zukunft für ihre Tochter. Furaha heißt "Freude", doch stattdessen lernte die kleine Kongolesin nur Gewalt und Krieg kennen. Und das Leben auf der Flucht - so wie Hunderttausende Leidensgenossen im Ostkongo. Mit der Ankunft weiterer UN-Truppen in dem Krisengebiet flammen jetzt neue Kämpfe auf, die die Flüchtlingsströme noch anschwellen lassen.

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Furaha hat Unterschlupf im Lager Mugunga gefunden. Doch in dem Vorort der Metropole Goma in der Provinz Nord-Kivu schlagen seit einigen Tagen Raketen ein. Die Rebellengruppe M23 ("Bewegung des 23. März") will offenbar vor der Stationierung einer neuen Eingreiftruppe der Vereinten Nationen Stärke zeigen und liefert sich nach Monaten relativer Ruhe wieder Gefechte mit Regierungstruppen. Auch unter den zigtausend Flüchtlingen im Lager Mugunga bricht Panik aus, viele flüchten weiter.

"In der Region sind zahlreiche Vertriebene, die bereits in der Vergangenheit vor Gewalt in ihrer Heimat geflohen waren, zwischen die Fronten geraten", beklagt die Organisation "Ärzte ohne Grenzen". Schon seit Wochen verdichten sich Signale, dass die bewaffneten Gruppen im Ostkongo angesichts der UN-Verstärkung aufrüsten. Die M23-Rebellen etwa sollen inzwischen auch bei den kleinen, lokalen Mai-Mai-Milizen um breite Unterstützung werben.

Frauen fliehen vor Vergewaltigungen, Männer vor Zwangsrekrutierungen

Die ersten von etwa 3.000 UN-Soldaten mit neuem Mandat sind bereits in der Region eingetroffen. Anders als die bisher schon dort stationierten rund 20.000 Blauhelmsoldaten der UN-Friedenstruppe für den Kongo (MONUSCO) dürfen sie in die Offensive gegen die Rebellengruppen gehen.

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Es ist ein unübersichtliches Geflecht der Gewalt, das sich seit rund zwei Jahrzehnten über den Osten des Landes im Herzen Afrikas zieht: Kämpfer, die sich aus den Nachkommen der in den Kongo geflohenen Völkermörder von Ruanda rekrutieren, und deren Gegner, aus denen auch die M23 hervorging. Daneben gibt es unzählige kleine Gruppierungen, die in der mit Bodenschätzen gesegneten Region um Macht und Reichtum kämpfen.

"Leidtragend ist erneut die Bevölkerung", sagt Georg Doerken, Landeskoordinator der Welthungerhilfe, die in Mugunga zuletzt bis Ende Januar Nothilfe geleistet hat. "Die Menschen flüchten aus ihren Dörfern in die Lager, weil sie Plünderungen fürchten - die Frauen fliehen vor Vergewaltigungen, junge Männer vor Zwangsrekrutierungen. Den Menschen fehlt es an allem."

So wie Mukesha, die mit ihrem Mann und ihren beiden kleinen Kindern vor Kämpfen zwischen verfeindeten Rebellengruppen floh. "Ich war eine Woche zu Fuß unterwegs", sagt die hochschwangere 23-Jährige. "Doch ich wollte nur noch weg, als die Plünderungen, Vergewaltigungen und Entführungen anfingen."

Aus dem Lager gehen? "Viel zu gefährlich"

In Mugunga steht sie unter dem Schutz von Polizei, Militär und UN. Und dennoch lebt sie in ständiger Gefahr - nicht nur wegen der neuen Gefechte. Wenn die Frauen das Lager zum Sammeln von Feuerholz verlassen müssen, können sie jederzeit Opfer von Vergewaltigungen werden. Auch Kinder wurden schon verschleppt, vermutlich als Träger und Helfer für marodierende Rebellen.

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Der 15-jährigen Furaha hat die Mutter verboten, die Grenzen von Mugunga zu überschreiten. "Das ist viel zu gefährlich", sagt die Jugendliche, während sie ihre kleine Schwester Grace auf dem Arm wiegt. Deshalb mache sie den ganzen Tag über "eigentlich nichts". Die einzigen Freiheiten, die sie habe, seien ein bisschen zwischen den dicht an dicht gedrängten Zelten herumspazieren und mit ihrer Freundin Safari plaudern.

Die erzwungene Untätigkeit und das Zusammenleben auf engstem Raum sind im Lager sozialer Sprengstoff. Jetzt stülpt sich noch die wachsende Angst über den Alltag, traumatische Erinnerungen kommen wieder hoch. Mukesha bangt um ihre 20 Monate und drei Jahre alten Kinder, und um das ungeborene in ihrem Leib. In etwa einem Monat soll es zur Welt kommen. Wo und unter welchen Bedingungen ist ungewiss. Und der Name? Vielleicht Tumaini - "Hoffnung" - oder Safari, was so viel wie "unterwegs" bedeutet.