Streit um Kruzifix beim NSU-Prozess

Foto: epd-bild/Mateusz Roik
Der Prozess um die Morde und Terroranschläge des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) hat am Montag vor dem Oberlandesgericht München begonnen.
Streit um Kruzifix beim NSU-Prozess
Auch Islam-Vertreter lehnen Forderung von türkischem Prozessbeobachter ab
Die Forderung des türkischen Parlamentariers Mahmut Tanal nach einem Kruzifix-Verbot im NSU-Prozess stößt in Deutschland auf Ablehnung. Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) betonte, das Kreuz im Gericht sei "ein Bekenntnis zu den christlich geprägten Grundwerten unserer Gesellschaft und unseres Rechts". Damit werde die Verpflichtung des Staates zu religiöser Neutralität nicht verletzt.

Auch andere Unionspolitiker übten scharfe Kritik an Tanal. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland erklärte: "Für ein Kruzifix im Gerichtssaal spricht aus unserer Sicht grundsätzlich nichts."

Der Abgeordnete der türkischen Oppositionspartei CHP, der den NSU-Prozess als Beobachter verfolgt, hatte das Kreuz als eine Bedrohung für Nichtchristen bezeichnet. Vom Gericht verlangt Tanal deshalb, das Kreuz zu entfernen.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, sagte der "Bild"-Zeitung (Freitagsausgabe): "Herr Tanal möchte sich mit seiner Belehrung der deutschen Justiz etwas zurückhalten." Die deutsche Gerichtsbarkeit sei der Neutralität verpflichtet.

Keine einheitliche Regelung

Nach den Worten von Hans-Peter Uhl (CSU), innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, kann es in diesem Prozess  "keine Sonderregeln" geben. "Wenn in dem Gerichtssaal normalerweise ein Kruzifix hängt, dann muss das auch während des NSU-Prozesses dort hängen", sagte er der "Bild"-Zeitung.

Das Aufhängen von Kreuzen in deutschen Gerichten ist nicht einheitlich geregelt. Es sorgte in der Vergangenheit immer wieder für Streit. Unter bestimmten Voraussetzungen muss ein Gericht das Kruzifix nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1973 abhängen, wenn ein Prozessbeteiligter dies aufgrund seiner Glaubens- und Gewissensfreiheit verlangt. Was im Fall des NSU-Prozesses passieren wird, ließ die bayerische Justizministerin Merk offen. Das werde vom Gericht in richterlicher Unabhängigkeit entschieden.

Beckstein: "Deutschland hat eine christliche Prägung"

Der frühere bayerische Ministerpräsident und langjährige Innenminister Günther Beckstein (CSU) sagte dem epd, eine Bedrohung für Nichtchristen durch das Kreuz sei für ihn nicht erkennbar. "Deutschland hat eine christliche Prägung." Die NSU-Mordopfer hätten alle in Deutschland gelebt. Bei der Verhandlung gelte deutsches Recht. In einem christlich geprägten Land wie Deutschland sei es wichtig, deutlich zu machen, dass Gott über dem Menschen stehe, unterstrich Beckstein, der auch Vize-Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist.

Der Sprecher der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, stellte sich ebenfalls hinter die Entscheidung des Münchner Oberlandesgerichts für das Kruzifix: "Das Kreuz gehört dahin, wo es hängt: in den Gerichtssaal", sagte Kopp.

###mehr-artikel###

Der Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, sprach indes von einer unnötigen Debatte. Dieser Prozess sei "nicht der Ort, um Fragen kultureller oder religiöser Identität zu klären". Die "reflexhaften Reaktionen" auf die Forderung Tanals seien genauso wenig nötig wie die Forderung selbst. Der türkische Abgeordnete sei kein Verfahrensbeteiligter. Er könne deshalb auch nicht das Abhängen des Kreuzes erwirken.

In dem am Montag eröffneten Prozess in München sind Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer der Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) angeklagt. Die Terrorgruppe soll insgesamt zehn Menschen ermordet haben. Die Mehrzahl der Opfer waren Muslime, zahlreiche Angehörige treten in dem Prozess als Nebenkläger auf.