Überleben im Medien-Tsunami

Foto: iStockphoto/Richard Clark
Überleben im Medien-Tsunami
Wie Kinder im Umgang mit Internet und Handy kompetent werden
Online-Spiele, Facebook, Smartphones - die Medienwelt ist völlig unübersichtlich geworden. Eltern wissen oft nicht mehr, was sie ihren Kindern erlauben sollen und was nicht. Ein Ratgeber hilft.
18.03.2013
epd
Marcus Mockler

Deutsche Kinder haben nach zehn Schuljahren etwa 15.000 Unterrichtsstunden absolviert, aber rund 18.000 Stunden vor dem Fernseher verbracht. Und die Zeit mit Computerspielen, Internetsurfen, Chatten mit Freunden und Verschicken von Kurznachrichten kommt noch obendrauf. Es ist inzwischen geradezu ein Medien-Tsunami, der die Freizeit der jungen Menschen verschlingt und Eltern grübeln lässt, wo sie eingreifen und erzieherisch tätig werden sollen.

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Die bei München lebende Kommunikationswissenschaftlerin Gertrud Teusen geht mit einem Ratgeber Müttern und Vätern zur Seite. "Schlau machen statt dumm surfen" heißt das im Urania-Verlag (Freiburg) veröffentlichte Buch. Auf 144 Seiten gibt es nicht nur gute Ratschläge, wo Förderung und wo Begrenzung bei der Mediennutzung angesagt ist. Die Autorin erklärt auch jede Menge mediale Spielformen - seien es Geschichte und Funktionsweise von Facebook oder die verschiedenen Genres von Online-Spielen.

Klare Grenzen setzen

Zu den Grundregeln im häuslichen Mediengebrauch gehört es nach Teusens Ansicht, die Kinder nicht unkontrolliert mit Internet und TV umgehen zu lassen. Vom Fernsehgerät im Kinderzimmer hält sie ebensowenig wie von einem Computer, mit dem Jungen und Mädchen zu jeder Tages- und Nachtzeit einsam online unterwegs sein können. Generell empfiehlt Teusen, die selbst Mutter von zwei inzwischen erwachsenen Kindern ist, die Medienzeit zu begrenzen. Einmal klar gesetzte Grenzen verhindern, dass jeden Tag neu verhandelt werden muss. Zu viel Fernsehen schadet übrigens Geist und Körper. "Die Wahrscheinlichkeit, übergewichtig zu werden, nimmt mit jeder zusätzlichen Stunde Fernsehen pro Tag um den Faktor 1,2 zu", wird eine amerikanische Studie zitiert.

Beim Umgang mit dem Internet empfiehlt die Ratgeberin eine Abkehr von der allgegenwärtigen Suchmaschine Google. Diese sei auf die Bedürfnisse von Erwachsenen abgestimmt und schlage auch Seiten vor, die für Kinder völlig ungeeignet seien. Viel zu wenig bekannt seien kindgerechte Suchmaschinen wie www.blinde-kuh.de, www.fragFINN.de und www.helles-koepfchen.de. Das "Internet ABC" der nordrhein-westfälischen Landesanstalt für Medien biete Kindern an, einen Surfschein zu erwerben. Durch die Beantwortung von 30 Fragen zeigen die Kinder, ob sie Chancen und Gefahren des World Wide Web verstanden haben.

Als Ausgleich: Waldspaziergang, Basteln, Bücherlesen

Obwohl die Autorin den verschiedenen Neuen Medien sehr aufgeschlossen begegnet, informiert sie auch klar über die Grenzen. "In Bezug auf digitale Medien sieht es nun so aus, dass man von ihnen nur etwas lernen kann, wenn man bereits etwas weiß", schreibt sie. Benützen kann diese Medien jeder, Nutzen daraus ziehen jedoch nur das medienkompetente Kind. Dazu ist es aber auf die Begleitung der Eltern angewiesen.

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Das gilt auch für den Umgang mit Mobiltelefonen. Habe 1998 nur einer von zehn Jugendlichen ein Handy benutzt, so war es sieben Jahre später schon umgekehrt: Nur einer von zehn benutzte keines. Interessanterweise geht ausgerechnet mit den mobilen Telefonen ein Sprechverlust einher - denn die Funktion der Kurznachrichten (SMS) wird sehr viel intensiver eingesetzt. Ein amerikanischer Teenager bekommt statistisch sieben bis acht solcher Mitteilungen - pro Stunde! Größer als die Gefahr, dass nicht mehr geredet wird, ist für Teusen aber die Weitergabe von Porno- und Gewaltvideos oder -bildern. Die sind nicht nur ungesund für die Entwicklung der Kinder, das Kopieren ist auch strafbar - dafür sind schon Jugendliche von der Schule geflogen. Auch hier könne ein kontrollierender Blick der Eltern hilfreich sein.

In der digitalen Flut darf nach Ansicht der Autorin eines nicht vergessen werden: Je jünger ein Kind, desto mehr Ausgleich zur Mediennutzung braucht es. Waldspaziergang, Basteln, Bücherlesen und Ausstellungen besuchen - solche Aktivitäten entwickeln elementare Fähigkeiten von Jungen und Mädchen, die andernfalls in der zweidimensionalen Bildschirmwelt verkümmern.