Wenn Licht das Leben bedroht

Uwe Peinemann hat sich mit der Krankheit arrangiert
Foto: Christina Lux
Wenn Licht das Leben bedroht
Licht tut gut und Sonnenschein macht gute Laune. Normalerweise. Denn was bedeutet es, wenn Licht zum Feind wird und die Haut zerstört? Uwe Peinemann aus Wulften erzählt von seinem Leben mit der "Mondscheinkrankheit".
22.02.2013
evangelisch.de
Juliane Ziegler (Gesprächsprotokoll)

"Laut Forschung habe ich die Lebenserwartung von XP-Patienten schon seit mehr als zwanzig Jahre überschritten – ich bin 48 Jahre alt. Als Kind habe ich mit meinen Eltern ganz normal Ferien gemacht, in Italien, in Spanien – wir wussten ja nicht, dass ich XP habe. Und im Urlaub ging ich auch in der Sonne. Bis dahin hatte ich keinerlei Probleme mit der Haut.

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Als ich in die Schule kam, hatte ich bloß extrem viele Sommersprossen, aber das ist ja zunächst nichts Außergewöhnliches. Bei mir stellte man fest, dass etwas nicht stimmt, als ich dreizehn Jahre alt war: Ich hatte eine seltsame Stelle am Kinn, die nicht heilte. Die Stelle nässte und blutete. Irgendwann sind meine Eltern mit mir in die Hautklinik nach Göttingen gefahren. Aber dass ich XP habe, das wurde erst vor fünfzehn, knapp zwanzig Jahren, festgestellt. Bis dahin wurden die Tumore behandelt, aber es war nicht klar, woran es liegt, dass ich ständig welche hatte.

'Gutes Wetter' bedeutet für mich 'gute Laune'. Mir tun Sonne und Licht genauso gut wie jedem anderen Menschen auch. Aber in meinem Hinterkopf habe ich immer, dass die Sonne nicht gut für mich ist. Das ist ein bisschen wie in Zeichentrickfilmen, wenn auf der einen Schulter ein Engel sitzt und auf der anderen dein Teufel, dieser Zwiespalt: Ich würde auch gerne mit T-Shirt und kurzer Hose rausgehen, aber ich weiß: Irgendwann werde ich darunter leiden. Ein verfluchter Konflikt.

Kein Jucken, kein Ausschlag, keine Quaddeln

Würde ich jetzt in die Sonne gehen, dann würde ich nichts merken. Ich bekomme keinen Ausschlag oder Quaddeln, es fängt auch nicht an zu jucken - gar nicht! Aber vielleicht bilden diese Strahlen, die auf meine Haut treffen, in einem halben Jahr etwas aus.

Uwe Peinemann hat XP-E, eine relativ milde Form der Krankheit. Trotzdem muss er sich permanent vor der Sonne schützen. Foto: Christina Lux

Die Ärzte sagen, normale Kleidung reicht, um vor der Sonne zu schützen. Aber es gibt eine Firma in München, die spezielle Hautschutzkleidung herstellt, die ist fast undurchlässig für UVA-Licht. Davon habe ich mehrere Sachen. Auf jeden Fall muss ich jeden Tag - auch wenn es bedeckt ist - Lichtschutzfaktor 60 auftragen. Trotzdem hatte ich schon ein paar Mal den schwarzen Hautkrebs. Der kann tödlich sein, wenn er zu spät erkannt wird. XP-Patienten werden natürlich engmaschig kontrolliert und meine Melanome waren noch in einem sehr frühen Stadium. Wenn man den Krebs rechtzeitig erkennt, ist er zu hundert Prozent heilbar. In der Regel gehe ich alle drei Monate zum Arzt und werde mehrmals im Jahr operiert. Ich hatte schon unzählige – hunderte! – Operationen.

Manchmal gibt es Schwierigkeiten mit den Krankenkassen. Denn der Lichtschutz läuft bei einigen Kassen unter Kosmetik. Dann wollen sie das nicht bezahlen. Das ist schon furchtbar - da hat man diese Krankheit und muss sich auch noch mit der Krankenkasse herumschlagen.

"Wie werde ich wohl einmal aussehen?"

UV-Licht geht auch durch die Fensterscheibe. Deshalb habe ich zuhause spezielle Folie an den Fenstern. Die ist durchsichtig, aber ist absolut UV-undurchlässig, damit habe ich auch die Scheiben in meinem Auto beklebt. Gott sei Dank kann ich normal arbeiten gehen: Ich bin Lokomotivführer bei der Deutschen Bahn. Den Zug kann ich natürlich nicht mit Folie bekleben, denn ich fahre immer wieder verschiedene Züge. Aber die Fenster sind getönt und ich sitze auch nicht direkt an der Scheibe.

"Gott sei Dank kann ich normal arbeiten gehen" - Uwe Peinemann ist Lokomotivführer. Foto: Christina Lux

Eine Familie aus München, deren Sohn an XP leidet, hat ihren Tag-Nacht-Rhythmus komplett umgestellt: Die Eltern sind zum Beispiel um Mitternacht mit dem Jungen auf den Spielplatz gegangen und haben tagsüber die Rollläden herunter gelassen. Über zwei Jahre haben sie es durchgehalten, aber auf Dauer geht das nicht. Daher kommt der Begriff "Mondscheinkinder" für XP-Patienten. Aber heute raten die Professoren und Mediziner davon völlig von ab. Man sollte versuchen, so normal wie möglich zu leben.

Mit Mitte zwanzig habe ich mich gefragt: 'Wie wirst du einmal aussehen, wenn du älter bist?' Denn es gibt Menschen, die sind durch diese Krankheit sehr entstellt. Aber das habe ich mittlerweile überwunden. Man sieht auch bei mir, dass ich etwas mit der Haut habe, ich habe an der Nase mehrere Transplantate. Aber da kann ich auch etwas dagegen tun, das kann man überschminken, das geht schon.

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Ich habe wirklich Glück im Unglück, ich lebe mit XP ganz gut. In unserer Selbsthilfegruppe gibt es viele kleine Kinder, denen es schwer fällt, mit XP umzugehen. Sie haben solche Mützen und Kappen, so ähnlich wie ein Imker, mit einer Schutzfolie vor dem Gesicht. So etwas nutze ich nicht. Ich könnte das machen, klar. Aber damit könnte ich nicht arbeiten. Also entscheide ich mich für die Variante, dass ich das ein oder andere Mal operiert werden muss, das ist dann nun mal so. Ich habe diese Krankheit mein Leben lang und kann daran nichts ändern. Also muss ich mich arrangieren."