Überfall auf Rabbiner löst Debatte über Tragen von Kippa aus

Überfall auf Rabbiner löst Debatte über Tragen von Kippa aus
Trotz des brutalen Überfalls auf einen Rabbiner in Berlin hält der Zentralrat der Juden in Deutschland nichts davon, in der Öffentlichkeit auf das Tragen jüdischer Symbole wie die Kippa zu verzichten oder bestimmte Gegenden zu meiden.

"Ich bin dagegen, dass wir auch nur im Ansatz uns so etwas vorstellen", sagte Zentralratspräsident Dieter Graumann der "Berliner Zeitung". "Wir dürfen vor dem Hass und vor der Gewalt nicht kapitulieren", fügte er hinzu.

Der Generalsekretär des Zentralrates, Stephan Kramer, sagte der "Passauer Neuen Presse", die Juden würden sich nicht "vor diesem antisemitischen Terror auf deutschen Straßen" beugen, "egal, ob es radikale Muslime oder Neonazis sind, die uns und damit die Gesellschaft bedrohen". Es sei Aufgabe von Sicherheitsbehörden und Gesellschaft, sich dem Terror entgegenzustellen, sagte Kramer. Strafen sollten schneller ausgesprochen und vollstreckt werden.

Berliner Gemeinde rät zum Kippa-Verzicht

Die Jüdische Gemeinde Berlin wie auch das Potsdamer Abraham-Geiger-Kolleg sprachen sich hingegen für den Verzicht etwa auf die traditionelle jüdische Kopfbedeckung aus: "Reinen Herzens kann ich deshalb nicht empfehlen, mit einer Kippa durch Berlin zu laufen", sagte der Gemeindevorsitzende Gideon Joffe der "Berliner Morgenpost". Der Rektor des Rabbinerkollegs, Walter Homolka, erklärte, seinen Studenten sei geraten worden, auf der Straße eine unauffällige Kopfbedeckung zu wählen.

###mehr-artikel###Der überfallene Geistliche Daniel Alter war Absolvent des Geiger-Kollegs und gehörte 2006 zu den drei ersten in Deutschland nach dem Holocaust ordinierten Rabbinern. Er war am Dienstagabend im Beisein seiner sechsjährigen Tochter von mehreren mutmaßlich arabischstämmigen Jugendlichen zusammengeschlagen worden. Medienberichten zufolge trug er über der Kippa ein Basecap, das aber offensichtlich verrutschte. Nach Angaben der Berliner Staatsanwaltschaft gab es bis zum Freitagnachmittag keine weiteren Hinweise auf die Täter und ihre Identität.  

Bei dem Angriff erlitt der Geistliche einen Jochbeinbruch und wurde am Donnerstag operiert. In Friedenau, wo die Familie des Rabbiners zuhause ist, hat sich inzwischen eine Bürgerinitiative gegründet, die zur Solidarität mit dem Geistlichen aufgerufen hat und gegen Gewalt vorgehen will. Für Sonntag ist eine Kundgebung geplant.
Alter kündigte inzwischen an, sich auch weiter für den interreligiösen Dialog einzusetzen. "In meinen Grundfesten bin ich nicht erschüttert", sagte der Rabbiner der "Berliner Morgenpost".

Politik soll friedliches Zusammenleben ermöglichen

In der Rostocker "Ostsee-Zeitung" unterstrich Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) die Aufgabe der Politik, das friedliche Zusammenleben von Religionen zu ermöglichen. Der Berliner evangelische Bischof Markus Dröge sprach sich für eine Verstärkung des interreligiösen Gesprächs aus. Gleichzeitig lobte er den Zentralrat der Muslime für dessen klare Distanzierung. Damit werde kein Zweifel gelassen, "dass Gewalt sich nicht auf einen Glauben an Gott berufen kann", sagte er dem epd.

Zentralratspräsident Graumann forderte hingegen die muslimischen Verbände zu mehr Engagement gegen Antisemitismus auf: "Worte des Mitgefühls sind schön und ehrlich gemeint. Aber Taten wären auch wichtig."