Das Gewohnte wird fremd. Sami, ein junger Familienvater kennt seine Stadt nicht mehr. "Ich kann nicht glauben, dass das Damaskus ist. Ich denke immer noch, ich bin in einem Alptraum", sagt der Syrer am Telefon, der seinen richtigen Namen nicht genannt haben möchte. Nicht einmal das Viertel, in dem er lebt. Seit Monaten kämpfen Regierungstruppen und Rebellen um die Kontrolle über die syrische Hauptstadt.
Die Waffentypen am Klang unterscheiden
Der Krieg rückt näher, die Angst wächst. Vor vier Wochen mussten Sami und seine Familie ihr Haus verlassen. "Im Kugelhagel", sagt der 30-Jährige. "Es war schrecklich." Inzwischen wieder daheim, wundert er sich über sich selbst und seine Anpassungsfähigkeit. "Es ist schon komisch, aber wir haben uns an die Schüsse und Bomben gewöhnt." Seine Familie könne die Waffentypen bereits nach ihrem Klang unterscheiden.
Vor ein paar Tagen saß Sami mit seiner Familie im Wohnzimmer, als plötzlich Oppositionskämpfer eine Garage des syrischen Militärs mit Raketen beschossen. "Es war vielleicht 200 Meter von uns entfernt." Sami teilt sich das Haus seinen zwei Brüdern, lebt selbst im obersten Stockwerk. "Also werden wir als erste getroffen", mutmaßt er. Doch wenn das Schießen beginne, flüchteten alle ins Erdgeschoss, um Deckung zu suchen.
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Das Ramadan-Fest im August war traurig. Normalerweise wird das Ende des Fastenmonats voller Freude gefeiert, mit vielen Gästen und Unmengen von Essen und Süßigkeiten. Seine Frau, sagt Sami, habe wie immer vor den Festtagen die Wohnung geputzt, für die Besucher. Doch es sei kein einziger gekommen. Selbst zum traditionellen Morgengebet zum Fest des Fastenbrechens habe sich niemand aus dem Haus getraut. Es war Sami und seiner Familie zu unsicher. "Die Armeetruppen beschießen die Moscheen", sagt er.
Syriens Bevölkerung ist sehr heterogen. Die Mehrheit der Syrer sind sunnitische Muslime, wie Sami. Doch die Regierung wird von Alawiten dominiert, auch Christen sind eine Minderheit. Präsident Baschar al-Assad ist selbst einer der Alawiten, die den schiitischen Muslimen zugerechnet werden. "Die meisten Alawiten beten nicht in unseren Moscheen - außer unser Präsident", sagt Sami.
Als Sunnit angefeindet
Der junge Vater hat vor sechs Monaten seinen Job gekündigt, weil es für ihn als Sunnit immer riskanter wurde, in einer staatlichen Behörde zu arbeiten. Gegner und Anhänger von Assad feindeten ihn an. Inzwischen ist er froh, einen neuen Job zu haben. Der Konflikt in Syrien hat in Samis Augen nichts mit Religion zu tun. Politikern gehe es nur um den Machterhalt, glaubt er. "Sogar die Salafisten vergessen Gott, wenn es um Politik geht." Damit spielt er auf die islamistischen Hardliner an, die in ihrer Ausrichtung radikal anti-schiitisch sind und von Saudi-Arabien gefördert werden, um Syrien und den schiitischen Iran in die Knie zu zwingen.
Sami hat wenig Hoffnung, dass sich die Situation in den kommenden Monaten bessert. Die reichen Syrer hätten das Land verlassen. Doch er und seine Familie hätten keine Chance. "Wo können wir schon hin?" Er rechnet sich nur winzige Chancen aus, ein Visum für ein anderes Land zu bekommen. "Wenn ich bis Mai überlebe, dann hoffe ich, dass ich irgendwo an einer ausländischen Universität ein Stipendium bekomme."