Kitaplätze: "Eine ganz sensible Altersstufe"

Foto: Andreas Herzau/laif
Ab August 2013 haben Eltern einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz für Kleinkinder. Doch längst nicht überall kann diese Zielsetzung auch eingehalten werden.
Kitaplätze: "Eine ganz sensible Altersstufe"
Mit Bangen schauen Familienpolitiker in Deutschland auf den 1. August 2013: Ab diesem Zeitpunkt wird der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für unter dreijährige Kinder gültig. Weil aber noch mindestens 220.000 Plätze fehlen, wie das Statistische Bundesamt Anfang November mitteilte, droht eine Klagewelle. Um Klagen entgegenzuwirken, so fürchten auch Betreiber von evangelischen Betreuungseinrichtungen, könnte der Kita-Ausbau zu schnell und nicht sorgfältig genug vorangetrieben werden.

"Wir machen uns große Sorgen, dass der Gesetzanspruch zum 1. August 2013 zu Notlösungen und Qualitätsabsenkungen führen wird, um den eventuellen Klagen der Eltern entgegenzuwirken", erklärt Monika Benedix, die Geschäftsführerin der Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder (BETA). Die Organisation vertritt 9.200 Tageseinrichtungen mit mehr als 63.000 Mitarbeitern und rund 500.000 Plätzen für Kinder zwischen 0 und 12 Jahren.

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Während sich Bund, Länder und Kommunen wechselseitig die Schuld an der unbefriedigenden Lage geben, wollen die evangelischen Einrichtungen vor allem ihrer Trägerverantwortung gerecht werden: "Wir wissen wo unsere Grenzen liegen und werden auch nicht jeden Weg mitgehen", erklärt Benedix. Das gebietet auch die Trägerhoheit der evangelischen Einrichtungen. Die mögliche Klagewelle beträfe die evangelischen Einrichtungen aber nicht direkt: Es würde gegen die die Träger der öffentlichen Jugendhilfe und nicht gegen die freien Träger geklagt werden.

"Die Ballungsräume werden es nicht schaffen"

Diese Klagewelle, berichtet Benedix, werde besonders in großen Städten problematisch werden: "Die Ballungsräume werden es nicht schaffen, den Bedarf an Plätzen für unter Dreijährige zu decken". Auch der Deutsche Städtetag gab bereits zu bedenken, dass die geplante Versorgungsquote von ursprünglich 35 Prozent vielerorts kaum ausreiche, um die Nachfrage zu decken.

###mehr-artikel### Vor allem in großen Städten suchten weitaus mehr Eltern Betreuung für ihre Kinder, der Bedarf liege dort bei 50 bis 60 Prozent. Es gibt unterschiedliche Gründe dafür, dass der Ausbau nur schleppend vorangeht, erklärt Benedix: "Ein Grund ist der viel zu enge Zeitrahmen, um die Bauaktivitäten mit Antragstellung, Genehmigung, den Bau selbst und die Abnahme in diesem Zeitraum überhaupt durchzuführen.

Ein großes Problem ist auch, dass in den Ballungsräumen keine Bauplätze vorhanden sind." Auch deswegen wird in den evangelischen Einrichtungen eher erweitert als neu gebaut. Doch gleichzeitig reichen die bisherigen Ausbauleistungen in vielen Bundesländern bei weitem nicht aus: "Mit der angestrebten Quote müssten wir in anderthalb Jahren so viele Plätze schaffen, wie in den letzten vier Jahren insgesamt", sagt Benedix.

Begrenzte Infrastruktur – fehlendes Personal

Der Spielraum ist also schon allein durch die Infrastruktur sehr begrenzt. Dazu kommt, dass Fachkräfte fehlen: "Wir stellen eine Menge Personalmangel fest, so dass die geschaffenen Plätze dann nicht mit qualifiziertem Personal ausgestattet werden können", erklärt Benedix.

###mehr-links### Geht man davon aus, "dass für fünf unter Dreijährige eine zusätzliche Vollzeitstelle eingerichtet werden muss", so die Rechnung im Evangelischen Bildungsbericht 2012, erhöht sich mit der Platzzahl der Personalbedarf erheblich, auch weil kleinere Kinder intensivere Betreuung benötigen.

Ausgehend von diesem Betreuungsschlüssel beziffert das Comenius-Institut Münster, das den Evangelischen Bildungsbericht herausgibt, den Personalbedarf auf 4.700 bis 6.600 zusätzliche Stellen allein in evangelischen Einrichtungen in Westdeutschland, wenn die evangelischen Einrichtungen weiterhin 15 Prozent der Betreuung von unter dreijährigen Kindern gewährleisten.

Doch das Personalproblem ist an sich kein gänzlich Neues: "Im Großen und Ganzen ist einfach zu wenig ausgebildet worden im Hinblick auf einen solchen Gesetzanspruch", sagt Benedix. Sie vergleicht die Lage mit dem Jahr 1996: "Da sind wir wieder in einer ähnlichen Situation wie als der Gesetzanspruch auf einen Kindergartenplatz für die 3- bis 6-jährigen in Kraft getreten ist."

Schlechter qualifiziertes Personal keine Option

Trotz des Personalmangels kommt für Benedix aber auch in der Not nicht in Frage, dass schlechter qualifiziertes Personal eingestellt wird: "Normalerweise heißt Qualitätsabsenkung bei uns: Mehr Kinder - weniger Personal, nicht mehr Kinder und weniger qualifiziertes Personal. Und da muss man einfach auch seine Trägerverantwortung in den Blick nehmen und schauen: Bis wohin gehen wir da noch mit?" Deswegen sei man auch händeringend auf der Suche nach Fachkräften, beispielsweise mit Quereinsteigerprogrammen und Nachwuchswerbung, auch wenn Benedix davon ausgeht, dass der Personalmangel kaum ausgeglichen werden kann.

###mehr-info### In jedem Fall dürfe es bei der Betreuung der Kleinsten nicht an Qualität mangeln: "Wir sprechen hier von einer ganz sensiblen Altersstufe, in der die Kinder sehr viel Zuwendung, Betreuung und Bildung benötigen. Weil die Phase prägend ist, muss man qualitativ hochwertige Angebote vorhalten", sagt Benedix.

Die Geschäftsführerin geht davon aus, dass auf dem Krippengipfel 2007 niemand mit so einem hohen Bedarf an Plätzen gerechnet hat: "Ich denke vielerorts wurde gedacht, es würde sich schon irgendwie von selber regeln oder so viele Plätze werden nicht benötigt, anders kann ich mir das nicht erklären." Dass dies weder für die Träger noch für die Eltern befriedigend sein kann, liegt auf der Hand. Der Rechtsanspruch wird aber wohl auch über den 1. August 2013 hinaus eine Baustelle bleiben. Die Sorge der evangelischen Einrichtungen, dass Qualitätsabsenkungen in Kauf genommen werden, scheint zumindest berechtigt.