Diese Woche sind die Abgabetermine für zwei Hausarbeiten, und zudem stehen drei Klausuren an. "Dabei sind doch eigentlich Semesterferien, in denen ich Geld verdienen müsste", klagt die 23-jährige Psychologie-Studentin Juliana B.: "Dieser permanente Leistungsdruck ist echt hart." Unter Studenten nehmen die stressbedingten Erschöpfungszustände zu, wie eine aktuelle Chemnitzer Studie belegt. Die Einführung des Bachelor-Master-Systems an den deutschen Hochschulen vor über zehn Jahren habe diese Entwicklung verstärkt.
Doreen Liebold hat für ihre Diplomarbeit im Fach Soziologie an der Technischen Universität Chemnitz 36 psychologische Berater von Studentenwerken in 14 Bundesländern befragt: Von ihnen gaben 83 Prozent an, eine Tendenz zur Überlastung sowie zur psychischen Erschöpfung bei Studenten zu beobachten. Ausreichend empirisch untersucht sei das Thema aber noch nicht, schränkt die Soziologin ein. Sie rät, das Thema weiter zu erforschen.
###mehr-links### 61 Prozent der von Liebold befragten Berater gaben an, bei den Studenten in den vergangenen fünf Jahren "einen deutlichen Anstieg von Burn-out im engeren Sinne" festgestellt zu haben. Der Begriff ist unter Experten allerdings stark umschritten. In der offiziellen Definition nach der "Internationalen Klassifikation der Erkrankungen" (ICD-10) wird Burn-out als "Ausgebranntsein" und "Zustand der totalen Erschöpfung" beschrieben.
Viel zu tun, wenig frei
Als Ursache für den erhöhten Stress für Studenten nennen Liebolds Studie zufolge die Fachleute vor allem die Umstellung auf das Bachelor-Master-Studium. Problematisch sei insbesondere die erhöhte Arbeitsdichte und der Mangel an Freiräumen. Das passt zu den Aussagen von Juliana B., die im vierten Semester ihren Psychologie-Bachelor absolviert. Sie schimpft über die permanente Leistungsüberprüfung: "Jedes Modul wird benotet und zählt gleich für die Endnote. Wenn man einen Masterplatz sicher haben möchte, kommt man aus dem Lernen nicht 'raus."
Zudem sei die Menge an Stoff, den sie auswendig lernen müsse, extrem: "Das bringt mir doch gar nichts, das vergesse ich doch gleich wieder." Doch in den Klausuren werde das verlangt: Inhalte werden abgefragt. Die Leistung, Sachverhalte einzuordnen oder kritisch zu reflektieren, sei selten gefragt. "Diese Klausuren machen echt krank", findet Juliana B.
Das Problem folgt in den Job
Stress und seine gesundheitlichen Folgen werden zu einem wachsenden Problem, zeigt auch eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse unter 1.000 Studenten in Nordrhein-Westfalen. Sie kam zu dem Ergebnis, dass drei Viertel der Befragten sich nervös und unruhig fühlen, 23 Prozent Phasen tiefster Verzweiflung erleben und 15 Prozent unter Panikattacken leiden.
Der bisweilen krank machende Stress an der Uni setzt sich im Berufsleben fort. So zeigt eine Erhebung des AOK-Bundesverbandes, dass sich zwischen 2004 und 2010 die Zahl der Burn-out-bedingten Arbeitsunfähigkeitstage in den Unternehmen von 8,1 auf 72,3 pro 1.000 Versicherte fast verzehnfacht hat.
Juliana hat sich entschlossen, dem Stress zu begegnen: "Ich nehme ab Oktober ein Urlaubssemester." Ihre Eltern seien davon zwar nicht begeistert. Auch verhalte sie sich damit ganz anders als ihre ehrgeizigen Freunde. "Daher ist mir der Entschluss auch nicht leicht gefallen." Aber sie möchte endlich Zeit haben, um psychologische Fachbücher wirklich gründlich zu lesen und sich einen Praktikumsplatz zu suchen, der zu ihr passt.