Ein Lied gegen die Angst

Dieses Buch birgt Erstaunliches zur Eurokrise
Foto: © epd-bild / Jens Schulze/Jens Schulze
Dieses Buch birgt Erstaunliches zur Eurokrise
Ein Lied gegen die Angst
Kirchenlieder zur Eurokrise
Im Schwerpunkt "Die Eurokrise und wir" beleuchtet evangelisch.de unterschiedliche Ursachen, Folgen und Teilaspekte der momentanen Wirtschafts- und Finanzkrise und mögliche Wege aus ihr. Dabei haben wir uns gefragt, ob nicht auch das kirchliche Liedgut einen Beitrag zum Thema leisten kann...

Griechenland- und Eurokrise, Schuldenschnitt und Rettungsschirm – das Unbehagen hat uns in der Hand, seit Jahren schon. Was tun gegen die Angst, die unseren Alltag grundiert? Angst vor dem Ende mit Schrecken, das hinter jeder Ecke lauern kann, mit aufgerissenem Rachen. Ist guter Rat selbst teuer nicht zu haben, dann wenigstens ein bisschen Trost in Bangigkeit?

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Die christliche Gemeinde findet ihn im Lied: "Über kräftige Kirchenlieder geht nichts“, schreibt Matthias Claudius. "Sie sind in Wahrheit Flügel, darauf man sich in die Höhe heben und eine Zeitlang über dem Jammertal schweben kann.“ Eine Auszeit also für die Seele. Vielleicht auch eine Position, um einen Überblick zu bekommen, Erkenntnis zu gewinnen? Seit den Tagen der Reformation sammelt sich in den Gesangbüchern ein reicher Schatz, gespeist aus praktischer Lebenserfahrung, der Erstaunliches enthält. Hinschauen, wiederlesen lohnt sich. Und natürlich singen!

"Das, was laut wird angepreist, sich doch zum Schluss gar hohl erweist“

Martin Luther nennt die Musik eine Gottesgabe und setzt sie direkt neben die Theologie. Die Lieder des wort- und stimmgewaltigen Reformators liefern Musterbeispiele ungebrochener Aktualität. "Sie lehren eitel falsche List, was eigen Witz erfindet. Ihr Herz nicht eines Sinnes ist“ – Sieht man sie da nicht leibhaft vor sich, die Börsengurus, Rater und Finanzexperten? "Der wählet dies, der andere das, sie trennen uns ohn’ alle Maß und gleißen schön von außen.“

###mehr-artikel###Der Rat der sogenannten Wirtschaftsweisen scheint sakrosankt, selbst wenn sie morgen das genaue Gegenteil von dem zu behaupten belieben, was sie heute sagen. Denn: "Wir haben Recht und Macht allein, was wir setzen gilt allgemein, wer ist, der uns sollt meistern?“ Genau so ist es doch!, möchte man ausrufen. Dennoch scheint die Macht der Marktschreier nicht unerschütterlich. Im Jahr fünf der Krise ist es den meisten gedämmert: "Das, was laut wird angepreist, sich doch zum Schluss gar hohl erweist.“ Und das Lied bläst zum Gegenangriff gegen die Rattenfänger: "Gott wolle wehren allen gar, die falschen Schein uns lehren.“

Geld – für Luther ist es "des Teufels Wort, wodurch er in der Welt alles erschafft“. Dagegen steht natürlich das Wort Gottes, die heilige Schrift. Die ist harte Währung, der keine Inflation etwas anhaben kann – "das Silber, durchs Feu’r siebenmal bewährt, wird lauter funden“. Auch Paul Gerhardt, Luthers nicht minder emsig dichtender Nachfahr, singt vom "Gold, da ihr sollt, euer Herz mit laben“.

"Geiziges Brennen, unchristlich Rennen nach Gut mit Sünde“

Der Mensch, wir ahnen es, ist vom Weg abgekommen. Von Jugend an, auch davon erzählt ein Lied: "Als dein Leben begann, als du wurdest ein Mann, träumtest du von dem Glück dieser Welt ... dich zog falsche Freude und Geld“. Er verfällt dem Mammon. "Geiziges Brennen, unchristlich Rennen nach Gut mit Sünde“, erkennt schon Gerhardt bei seinen Zeitgenossen. In den Liedtexten von heute schließlich ist es ein Hauptanliegen geworden, davon zu berichten, "wie das Geld regiert, die Menschheit jedes Maß verliert“. Der Teufelskreis, er dreht sich schneller mit den Jahrhunderten.

###mehr-info###Schnörkellose, klare Worte beschreiben das Lebensgefühl des modernen Menschen: "Reichtum, Ehre, Karriere, Einfluss, Macht und Geld, all das suchen wir und sind doch einsam in der Welt.“ Es ist keine fremde, unbekannte Macht, die uns von außen überfällt - der Kern aller Krisen schlummert in jedem von uns. Die Gier der Spekulanten, die unser Wirtschaftssystem ins Wanken bringt, sie ist nur Ausfluss der Gier des Einzelnen. "Wir sind nie zufrieden, nein wir wollen immer mehr, und doch bleiben unsere Herzen leer.“ Solche Herzen, "die kalt sind wie Hartgeld“  schaffen eine Eiszeit in den zwischenmenschlichen Beziehungen, die Grundlage jeder Gesellschaftsordnung sind.

Und die Dichter fragen weiter: "Wo führt uns unser Wandel hin? Hat das alles denn noch einen Sinn?“ Die Sinnfrage mögen sich viele gar nicht mehr stellen. "Wo die letzte Brücke bricht, wo immer Fordrung, nie Verzicht“, was mag da noch auf uns warten? Alles gerät ins Wanken. "Wonach ich greif, es löst sich alles auf. Hohl scheint mir jetzt, wo ich einst baute darauf.“ Die Liederdichter aber erheben Einspruch gegen Resignation. "Wir sehen nicht vorbei an dem Tod dieser Welt“, sagen sie. Nein, "wir haben Hoffnung, die uns aufrecht hält“.  Eine Sehnsucht wird laut: "Wenn doch nur die große Wende käme, die das Leben plötzlich anders macht.“ Ja, das wär’s wohl. Doch wer sollte die schaffen? Angela Merkel?

"Du sollst ja guter Dinge sein, ich zahle deine Schulden“

Bei allem Respekt – die Kirchenlieder bauen lieber auf Beistand von oben. "Zünd uns ein Licht an im Verstand“, bittet Luther. Auf dass Durchblick einkehre im Chaos. "Das Wort der Weisheit lass uns sehn, die Klarheit der Gedanken“. Der Mensch steht gefangen im "Wald der Wünsche“, Gott  möge ihn lichten. "Erweise, was von Menschen ist, enthülle klar in kurzer Frist des Teufels Plan und Werke.“ Doch die Hilfe geht noch weiter. Worauf Banken und Griechen bei Merkel & Co. noch warten müssen, Gott sagt es ihnen zu: "Du sollst ja guter Dinge sein, ich zahle deine Schulden“, lässt er ihnen durch Paul Gerhardts Mund ausrichten. Auf diese frohe Botschaft haben doch alle gewartet. Ganz umsonst freilich ist Erlösung nicht zu haben. "Bist du mit Willen, Herz und Sinn zur Änderung bereit?“ So lautet die entscheidende Frage. Der Dichter ist sich da sicher: "Der Meister kriegt dich auch noch hin“ – und appelliert darob ans verloren gegangene Gotteskind: "Es liegt an dir, gib dich ihm hin, eh dich’s gereut“.

###mehr-links###Dann nämlich "kann Schuld und Not in Sieg verwandelt werden“, Geschäftemacher verwandeln sich wieder in Menschen: "Denn um Gott nicht zu verpassen, musste er die Kasse lassen, und mit Jesus gehen.“  Gott setzt an zum fabelhaften ökonomischen Dreisprung: "Der mich frei und ledig spricht, hat die Schulden abgetragen“ – das hatten wir schon. Das Wohl seiner Kinder lässt er sich "sein Bestes kosten“, ja: "Gott wurde arm für uns“ und "seine Armut öffnet uns die Tür“ – die Tür zu neuem Reichtum nämlich. Denn "Gott ist’s, der das Vermögen schafft“. Aus dem Nichts, so scheint es – oh Wunder! Also fackel' ich doch nicht mehr lange und fliehe unter den himmlischen Rettungsschirm. Ich kündige Versicherungen und Sparverträge, löse meine Fonds auf und sage: "Nimm mein Geld und Konto hin“, mein Gott - und mach’s besser als meine irdischen Anlageberater.