Filmkritik der Woche: "James Bond 007 - Skyfall"

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Filmkritik der Woche: "James Bond 007 - Skyfall"
Bond als Mann am Abgrund: Mit "Skyfall" kehrt James Bond pünktlich zum 50. Geburtstag der Reihe auf die Leinwand zurück. Sam Mendes inszeniert den 23. Bond-Film als einen überraschend düsteren Psychothriller, in dem 007 die ganze britische Geheimdienst-Familie retten muss.
31.10.2012
epd
Hans Schifferle

Das erste Bild des 23. James-Bond-Films zeigt ein Zwielicht. Aus dieser Schattenwelt tritt er dann heraus: Bond, James Bond, gespielt von Daniel Craig. Die ersten Szenen präsentieren ihn als klassischen Actionhelden mit Motorradstunts im vollen Basar von Istanbul und einer Verfolgungsjagd über das Dach eines fahrenden Zuges. Doch am Ende des Vorspanns wird Bond fallen gelassen, direkt und im übertragenen Sinne. Er stürzt vom Dach des Zuges ins Bodenlose und schließlich in die Titelsequenz hinein, die einer an Alfred Hitchcock oder den Rorschach-Test erinnernden psychedelischen Grafik gleicht. In ihr deuten sich die Themen des Films an: Todesnähe, Verlust von Sicherheit und Identität.

Es ist das Verdienst des britischen Regisseurs Sam Mendes, dass er den Jubiläums-Bond, der zum 50. Geburtstag der Serie erscheint, nicht als große Show inszeniert hat, sondern als ernsthaften Film, als sensible Einkehr und Selbstreflexion. Zudem betont Mendes trotz spektakulärer Schauplätze von Schottland bis Shanghai gerade das Familiäre der Bond-Serie. Geheimdienstchefin M, Waffenmeister Q, Agent 007 und ihre Gegenspieler bilden eine bunt zusammengewürfelte Familie, nicht durch Blut verbunden ist, sondern durch die Gesetze der Spionage.

In "Skyfall" geht es denn auch im Grunde um die Geheimdienst-Übermutter M (Judy Dench) und ihre verlorenen Söhne. Der erste der Verlorenen ist natürlich Bond selbst. Noch nie war ein Bond so fahl im Gesicht wie Daniel Craig in "Skyfall". Seine ganze Persönlichkeit ist außer Balance. Den Alten kann er nicht mehr vertrauen, und die Jungen machen ihn beinahe obsolet. Q etwa, mit Freude und Ironie gespielt von Ben Whishaw, ein Waffenmeister als Computerfreak und Technonerd, der Bond in jeder Beziehung alt aussehen lässt.

Das Wesen der Spionage als Metapher menschlicher Existenz

Bond also ist in "Skyfall" ein Mann am Abgrund, der noch dazu einen Fall zu lösen hat, der das Innerste des Geheimdiensts betrifft. Von einer Terrororganisation wird nicht nur das Hauptgebäude des MI6 attackiert, im Netz werden auch die Identitäten aller westlichen Geheimagenten preisgegeben. Transparenz ist eine gemeine Waffe in "Skyfall".

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Den zweifelnden Bond verschlägt es nach China, wo er auf den allmächtigen Bösewicht Silva trifft, den Javier Bardem als melancholischen Komödianten der Gemeinheit spielt. Der blondierte Silva, eine Mischung aus Julian Assange und Hamlet, könnte ein weiterer verlorener Sohn sein, Bonds grotesk verzerrtes Ebenbild.

Über weite Strecken des Films benutzt Mendes das Wesen der Spionage als Metapher der menschlichen Existenz. Das Blockdenken des Kalten Kriegs vor 50 Jahren scheint gesprengt zu sein. Die unzähligen Bruchstücke dringen aber bis heute in unsere persönlichsten Geheimräume. Der Showdown führt dann nicht in das utopische Heim des Bösewichts wie sonst in den Bond-Filmen, sondern in eine ganz andere Heimstätte, die man niemals in einem Bond erwartet hätte. Ein alter Mann ist dort einsamer Statthalter, von der Zeit vergessen. Gespielt wird er von Albert Finney, der vor 50 Jahren, als Bond die Leinwände betrat, ein junger, sonniger, leichtsinniger Mann war. Jetzt, so hat es den Anschein, ist er ein Fels in der Brandung, die reine Tradition.

Zweifellos, der Jubiläums-Bond überrascht: Weil er weniger eine Action-Gala ist, sondern vielmehr ein intimer, düsterer Psychothriller über Alter, Tradition, Schuld und Sühne.

Regie: Sam Mendes. Buch: Neal Purvis, Robert Wade, John Logan. Mit: Daniel Craig, Ralph Fiennes, Javier Bardem, Judi Dench, Helen McCrory, Naomie Harris. Länge: 143 Min. FSK: ab 12 Jahre