Umbau des Bürgergelds zur Grundsicherung stößt auf scharfe Kritik

Umbau des Bürgergelds zur Grundsicherung stößt auf scharfe Kritik
Das Bürgergeld soll bald Geschichte sein: Das Bundeskabinett hat die Umgestaltung zur neuen Grundsicherung beschlossen. Linksfraktion und Sozialverbände kritisieren die strengeren Regeln für Grundsicherungsbeziehende.

Berlin (epd). Die Bundesregierung hat den Umbau des Bürgergelds zur neuen Grundsicherung auf den Weg gebracht. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch den Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums, der dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Scharfe Kritik kommt nicht nur von Sozialverbänden, sondern auch von der Linksfraktion.

Die Neuerungen sollen größtenteils zum 1. Juli 2026 in Kraft treten. Vorgesehen ist unter anderem die Rückkehr zum sogenannten Vermittlungsvorrang: Die Vermittlung in Arbeit hat dann in der Regel Vorrang vor einer Ausbildung oder Qualifizierung. Außerdem werden die Regeln für Schonvermögen und Wohnkosten verschärft.

Komplette Streichung der Leistungen möglich

Bevor jemand Grundsicherung bekommen kann, muss eigenes Vermögen bis zu bestimmten Schonbeträgen aufgebraucht werden. Diese Beträge werden nun an das Lebensalter gekoppelt und fallen deshalb insbesondere für junge Menschen deutlich niedriger aus als bisher. Auch die Wohnkosten werden früher und strenger als bisher darauf geprüft, ob sie als angemessen eingestuft und damit in vollem Umfang vom Staat übernommen werden.

Zur Reform gehört zudem, dass Grundsicherungsbeziehenden früher und in größerem Umfang als bisher die Leistungen gekürzt werden können, wenn sie etwa Termine versäumen oder ein Jobangebot ablehnen. Bei mehrfachen Verstößen soll es sogar möglich sein, ihnen das Geld komplett zu streichen - inklusive der Zahlungen für Miete und Heizung. Die erwarteten Einsparungen fallen dabei gering aus: Im kommenden Jahr sollen es laut Gesetzentwurf 86 Millionen Euro sein, für 2027 werden 70 Millionen vorausgesagt.

Kritik von Linksfraktion und Sozialverbänden

Das Gesetz sei „eine riesige sozialpolitische Sauerei“, erklärte die stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Bundestag, Janine Wissler. Sie bezeichnete die Reform als „eine Rückkehr zu Hartz IV, bei der die winzigen Verbesserungen beim Bürgergeld“ wieder zurückgenommen würden. Direkte Einsparungen seien nie das Ziel gewesen. „Es geht darum, Druck zu machen auf Löhne und Tarifverträge“, kritisierte sie. „Je größer die Angst vor Erwerbslosigkeit und je steiler und schneller die Rutschbahn in die Armut, desto mehr lassen sich Beschäftigte bieten.“

Sozialverbände sehen in der Reform neue Gefahren für ohnehin benachteiligte Personengruppen. Der Präsident der Arbeiterwohlfahrt, Michael Groß, nannte die Debatte um die Grundsicherung beschämend. Anstatt Menschen am Existenzminimum „mit der Streichung der Wohnkosten zu bestrafen“, sollten Bürgergeldbeziehende einen Ausgleich für die gestiegenen Kosten durch die Inflation erhalten, sagte er.

Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Joachim Rock, erklärte, Menschen, die ihre Beschäftigung verlören, drohe innerhalb weniger Monate der Rückgriff auf das Ersparte. „Statt Menschen bei der Jobsuche stärker zu unterstützen, verschärft die neue Grundsicherung Unsicherheit und Existenzängste“, sagte er.

Kinder und Frauen besonders betroffen

Der Kinderarmuts-Experte bei Save the Children Deutschland, Eric Großhaus, beklagte, dass die geplante Reform Kinder zu wenig berücksichtige. „Aus kinderrechtlicher Sicht sollten Familien mit Kindern überhaupt nicht sanktioniert werde“, sagte er und forderte stattdessen „Leistungshöhen, die den tatsächlichen Bedarfen von Kindern gerecht werden und ihnen ein gesundes Aufwachsen ermöglichen“.

Der Fokus darauf, Menschen möglichst schnell in die Erwerbstätigkeit zu vermitteln, macht es aus Sicht des Deutschen Frauenrats für Frauen noch schwieriger, in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu kommen. Um Frauen vor Armut zu schützen, sei „eine gute Beratung und Begleitung notwendiger Weiterbildungen und passgenauer Umschulungen“ notwendig, sagte das Vorstandsmitglied des Frauenrats, Heide Mertens.