Berlin (epd). Fünf Jahre nach Einführung des freiwilligen Nutri-Score fordern Forscherinnen und Forscher eine gesetzliche Pflicht für das Lebensmittel-Kennzeichen. Es sei nicht zu erwarten, dass ohne gesetzliche Vorgaben mehr Hersteller das Kennzeichnungssystem für ihre Produkte verwenden, sagte die Verbraucherforscherin Anke Zühlsdorf von der Universität Göttingen bei der Vorstellung einer Online-Befragung am Mittwoch in Berlin.
Im Auftrag der Verbraucherorganisation Foodwatch haben Zühlsdorf und der Göttinger Agrarökonom Achim Spiller ermittelt, wie Konsumenten zum Nutri-Score stehen. Er gibt Orientierung darüber, wie gesund ein Lebensmittel ist, und hilft, Lebensmittel innerhalb von Produktgruppen hinsichtlich ihres Nährwertprofils zu vergleichen.
Unabhängig und wissenschaftlich
Der Studie zufolge ist das Vertrauen in das Label wenig ausgeprägt, 80 Prozent der Befragten sind zudem unsicher, ob sie den Score richtig anwenden. Viele wüssten nicht, dass es sich um ein unabhängiges und wissenschaftlich basiertes Kennzeichen handle. Immerhin 61 Prozent wünschen sich den Angaben zufolge eine verbindliche Kennzeichnung aller Produkte. Spiller betonte, nur so könne der Nutri-Score einen relevanten Beitrag für eine gesündere Ernährung leisten.
Das in Frankreich entwickelte Label wird in mehreren EU-Ländern verwendet. In Deutschland wurde es 2020 unter Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) eingeführt. Nach Angaben von Foodwatch nutzen von insgesamt rund 6.000 Lebensmittelherstellern in Deutschland derzeit etwa 960 Firmen mit 1.420 Marken die Nährwertkennzeichnung in Ampelfarben.
Appell: Fehlernährung bekämpfen
Einige Unternehmen seien nach der Einführung wieder aus dem Nutri-Score ausgestiegen, auch als Reaktion auf einen überarbeiteten Bewertungs-Algorithmus, führte Foodwatch-Mitarbeiterin Luise Molling aus. Sie appellierte an Bundesernährungsminister Alois Rainer (CSU), das Label national verpflichtend umzusetzen und mit einer Kampagne darüber zu informieren. Sämtliche Expertinnen und Experten im Bereich der Öffentlichen Gesundheit forderten seit vielen Jahren einen verpflichtenden Score, um Fehlernährung zu bekämpfen und ernährungsbedingte Krankheiten einzudämmen.
Eine politische Hürde sieht Agrarökonom Spiller im „Gastro-Populismus“, der in ernährungspolitischen Debatten oft zu beobachten sei. Eine EU-weit verpflichtende Kennzeichnung sei am Widerstand einiger Länder wie etwa Italien gescheitert, wo das Thema „populistisch hochgespielt wurde“. Auch deshalb habe die EU-Kommission entsprechende Pläne von der Agenda gestrichen.



